Romana Casutt präsidiert den Bündnerclub. Lukas Messmer

Calanda ist ihr Markenzeichen

Bündner Studis treffen sich gerne im Bündnerclub. Aber darf man sie deshalb Herdentiere nennen?

14. September 2009

Romana, warum braucht es den Bündnerclub? — Brauchen ist das falsche Wort. Wir wollen den Bündnerclub. Wir wollen ihn, um uns zu treffen und uns auch ausserhalb der Unizeiten auszutauschen. Es ist schon sehr schwer, hier Kontakt zu knüpfen! Die meisten sind verängstigt, wenn sie das erste Mal an die Uni kommen. Dann ist es doch schön, wenn es den Bündnerclub gibt, wo man sich zusammen auf ein Calanda trifft. Bekämpft ihr damit euer Heimweh? — Es gibt sicher solche. Der Club ist schon ein guter Ersatz zu den Bündner Bergen. Aber die, welche wirklich Heimweh haben, gehen sowieso am Wochenende immer nach Hause. Und davon gibt es viele. Ich denke, etwa die Hälfte. Die brauchen einfach die Berge und halten es hier im Flachland nicht aus. Ich selbst gehöre aber nicht dazu und bin selten oben.

Seid ihr eine Anlaufstelle für Bündner, die Probleme haben, sich zu integrieren? — Das wäre mir noch nie aufgefallen. Ich habe noch nie von einem gehört, der bei uns Hilfe gesucht hat.

Bleibt ihr Bündner gerne unter euch? — Das ist ein Gerücht. Wenn du als Auswärtige hierher kommst, dann musst du auch bereit sein, Kontakte zu knüpfen. Du musst offen sein. Die Zürcher haben ihre Kollegen. Die sind hier aufgewachsen und haben ihre Gschpänli schon. Das ist wie bei uns im Tal, da hast du deine Clique. Aber hier, egal ob Bündner, Tessiner, Thurgauer oder was auch immer, hier musst du auf andere zugehen, sonst gehst du irgendwann zu Grunde. Das ist also definitiv ein Gerücht.

Schottet ihr euch mit dem Bündnerclub nicht ab? — Nein, der Bündnerclub ist prinzipiell für alle offen. Man muss nicht Bündner sein, um dem Club beizutreten. Aktivmitglieder müssen Bündner sein, aber passiv kann jeder Mitglied werden. Es dürfen ja auch alle jederzeit ans Bündnerfest kommen.

Ausser dem Tessinerclub seid ihr die einzigen, die sich organisieren. Es gibt zum Beispiel keinen Glarner- oder Walliserclub. Sind die Bündner, die am schlechtesten integrierten Studierenden aus einem anderen Kanton? — Das würde ich nicht sagen! Das hat eher etwas mit der geografischen Lage zu tun. Ich meine, Glarus, das ist ein Katzensprung! Das kann man nicht vergleichen. Warst du schon einmal in Samedan oder St. Moritz? Weisst du, wie lange du brauchst, bis du da zuhause bist? Bei den Tessinern ist es sicher auch die Sprache, die es ihnen schwierig macht sich zu integrieren. Aber auch bei uns spricht ungefähr ein Drittel Romanisch als Muttersprache und Deutsch als Fremdsprache.

Kann man von einer Landflucht sprechen, wenn so viele junge Leute in andere Kantone abwandern? — Wenn du studieren willst, dann musst du das Bündnerland verlassen. Das ist einfach so. Im Bündnerland gibts praktisch nur Tourismusschulen. Viele kehren aber nach dem Studium wieder zurück.

Der Bündnerclub ist sicher auch ein Beziehungsnetz mit viel Vitamin B? — Letztlich ist jeder Club ein gutes Beziehungsnetz. Du bist aber besser dran, wenn du dir im Studiengang ein Beziehungsnetz aufbaust. Im Bündnerclub hast du so viele verschiedene Studienrichtungen, dass es dir je nach Studiengang überhaupt nichts nützt. Unser Verein hat eher den Zweck, miteinander Bier zu trinken, zu plaudern und es lustig zu haben.

Man nennt euch auch «Bündnermafia». — Wir sind keine Mafia. Wir verschwören uns ja nicht gegen andere. Wir hocken auch nicht ein Leben lang zusammen. Wir bieten einfach eine Gelegenheit, sich zu treffen. Irgendwann ist der Bündnerclub auch für einen Bündner passé. Wir wollen die Schweiz nicht an uns reissen.

Auch der Begriff «Herdentiere» macht die Runde. — Naja, wir treffen uns und trinken gerne mal ein Bier zusammen. Aber ohne Leithammel. Wir sind keine Lemminge. Alle, die einmal am Bündnerfest waren, wären dann auch Herdentiere. Willkommen in der Herde also.

Sind Bündner patriotischer als andere? — Nein, um Gottes willen. Das ist höchstens Lokalpatriotismus. Wenn dir alle sagen, das Bündnerland sei so toll, dann ist man schon stolz auf sein Zuhause. Einige Bündner haben ein starkes Heimatgefühl. Zu denen gehöre ich wohl auch ein wenig.

Ist der Zusammenhalt unter den Bündnern grösser als bei anderen? — Woher soll ich das wissen? Ich kenne die Zürcher oder Thurgauer diesbezüglich nicht. In den Gründerjahren unseres Clubs war der Zusammenhalt sehr intensiv, weil sich alle von der Kanti kannten. Mittlerweile lernt man sich erst durch den Club kennen. Unser Zusammenhalt und das Bedürfnis, sich zu treffen sind nicht mehr so stark wie damals. Jeder von uns hat auch noch einen Kollegenkreis ausserhalb des Bündnerclubs, wir rotten uns nicht zusammen.

Herrscht denn zur Zeit Flaute? — Ja, das merkt man schon. Das Bündnerfest ist zwar immer noch sehr beliebt. Aber die Aktivmitglieder sind weniger geworden. Das merkt man zum Beispiel beim Schlittelplausch. Vor fünf bis sechs Jahren waren wir 40, heute kommen noch 12 Studis. Die guten Zeiten sind vorbei.

Welches sind für dich persönlich die grössten Unterschiede zwischen Zürchern und Bündnern? — Der Dialekt. Man kann auch Klischees walten lassen und sagen: Bündner sind stur, dickköpfig, eigensinnig. Zürcher quatschen hingegen extrem viel. Aber letztlich geht es um den Charakter eines Menschen. Es ist nicht möglich, zu sagen: Bündner haben einen anderen Charakter als Zürcher oder umgekehrt. Es kommt immer auf die Person an. Aber ich habe keine negativen Erfahrungen mit Zürchern gemacht. Die einen jedoch haben manchmal schon eine grosse «Schnurre». Sie reden einfach verdammt viel. Aber es gibt auch Bündner, die so sind.

Romana, wo bist du zuhause? — In Winterthur. Ich sage jedem, das Bündnerland sei mein zweites Zuhause. Romana Casutt Die 29-jährige Präsidentin des «Bündnerclubs» hat in Luzern Tourismus und Mobilität studiert. Zur Zeit arbeitet sie in einer Promotionsagentur.

Der Verein «Bündnerclub» organisiert das bekannte «Bündnerfest» und weitere Anlässe für Mitglieder des Vereins.

Links

Bündnerclub an der Uni und ETH Zürich