Unter Dauerbeobachtung: Partnerschaftsstudie am Lehrstuhl für Klinische Psychologie. Joel Bedetti

Von Psychologen reingelegt

Die Redaktion verknurrte uns zur Partnerschaftsstudie. Chinesische Zeichen, Cracker und Langeweile. Ein Erlebnisbericht.

4. Mai 2009

Das ist mal was besseres als die langweiligen Wirtschaftsexperimente am IEW, bei denen dir die Finger einschlafen, weil du immer nur A oder B wählen kannst. Nein, diesmal sollte es ganz anders sein, denn getreu dem Motto dieser ZS-Ausgabe habe ich an einer Partnerschaftsstudie teilgenommen. Mit meinem Partner.

Aus gruppendynamischen Gründen hat sie schliesslich ja gesagt. Als 15 Nasen aus unserer Redaktion uns fordernd anstarrten, konnte sie einfach nicht anders. Die Studie beginnt bereits zuhause mit einem monströsen Fragebogen. Ich soll auf einer Skala von 1 bis 9 Fragen beantworten wie «Haben Sie das Gefühl, dass ihr Partner Ihnen nicht genügend Aufmerksamkeit schenkt?» Wir stehen im Foyer der Uni Nord und warten. Die Studie wird vom Lehrstuhl für klinische Psychologie an der Universität Zürich durchgeführt und trägt den Titel «Partnerschaft und Bindung». Das Gebäude scheint bis auf ein paar Wirtschaftsinformatiker und uns leer zu sein. Eine Psychologiestudentin kommt und nimmt uns mit in den dritten Stock, wo eine zweite Studentin wartet und wir auf einem Sofa Platz nehmen.

Obwohl es ja keine Beratung, sondern eine Studie sein soll, ist die Stimmung sonderbar. Die beiden Studentinnen – leicht verlegen – bieten uns Wasser aus einem Massbecher, kleine Schoggitäfeli und Cracker an. Im Hintergrund steht eine Videokamera. Von Sofa scheuchen sie uns gleich wieder hoch und machen je vier Fotos von uns. Na super, ich hoffe die sollen nicht eingesetzt werden, um die partnerschaftliche Bindung zu stärken. Mit meinen erreicht man eher das Gegenteil. Danach unterschreiben wir eine Einverständniserklärung, dass wir gefilmt werden dürfen und über mögliche Risiken der Studie aufgeklärt wurden. Auf die Risiken bin ich ja gespannt. Ob es schon Paare gegeben hat, die sich nach so einer Studie getrennt haben?

Die beiden Psychologiestudentinnen verlassen den Raum. Wir fragen uns, ob die Kamera schon läuft und fuchteln wie die letzten Deppen direkt in die Linse. Ansonsten sitzen wir hilflos in dem leeren Raum und smalltalken. Intimität ist hier fehl am Platz. Ein Cracker, ein Glas Wasser. Irgendwie ist das alles viel unspektakulärer als angekündigt. Die Studie soll den Zusammenhang zwischen Partnerschaft und Bindung mit einem neuen Instrument testen. Dabei kommt auch ein computergestützter Test zum Einsatz, weshalb wir vor zwei Computer im Nebenraum wechseln. Meine Hoffnungen, das sei anders als die IEW-Experimente, waren vergebens: Wir müssen entscheiden ob uns ein beliebiges chinesisches Zeichen im Vergleich mit der Allgemeinheit von chinesischen Zeichen sympathisch oder unsympathisch ist. Wie man das entscheidet? Drück Taste A oder B!

Was hat das mit Partnerschaftsstudie zu tun? In aberwitziger Geschwindigkeit schwirren chinesische Schriftzeichen über den Bildschirm. Ich muss entscheiden, ob sie mir sympathisch sind oder nicht. Wie ich das genau entscheiden soll, ist mir ein Rätsel. Als sympathische nehme ich symmetrische, einfache, schlanke Formen, als unsympathisch bewerte ich alles Chaotische. Plötzlich erscheint vor einem komischen chinesischen Zeichen, das aussieht wie ein als Wurm verkleidetes Dromedar, ein Foto von ihm. Meine Entscheidung wird durch sein Bild nicht beeinflusst. Gnadenlos drücke ich die «unsympathisch»-Taste.

Zweiter Test: Ich muss Begriffe wie «Krankheit», «Trauer», oder «Geschenk» positiv oder negativ einordnen. Die Routine ist schnell drin, dann ändert der Test. Bilder von Frauen aus den 80ern rauschen vorbei, dazwischen die vorhin geschossenen Fotos. Alles Bildmaterial soll ich «negativ» bewerten. Negativ! Negativ! Negativ! Verdammt! Da war sie! Egal, muss laut Versuch ja so sein. Ob die wohl genau das erreichen wollen? Nach den Computertests werden wir einzeln befragt. Mein Gespräch ist kurz. Danach kann ich wieder auf dem Sofa Platz nehmen. Offenbar dauerts bei ihm etwas länger. Was er wohl alles erzählt? Normalerweise kriegt man ihn nur unter Gewaltandrohungen dazu, über Beziehungsdinge zu sprechen. Da ich mir keine grossen Hoffnungen mache, je zu erfahren, was er gesagt hat, ergebe ich mich in mein Schicksal und gönne mir noch ein paar Cracker.

Das Interview ist irgendwie komisch. Die Psychologiestudentin scheint es fast lustig zu finden. Zuerst sage ich nichts, danach zögerlich ein, zwei Dinge. Es scheint sie nicht weiter zu kümmern als ich sage, ich wisse nichts mehr. Lustlos kreuzt sie einige Kästchen auf einem Blatt Papier an. Wie erwartet, erfahre ich nichts vom seinem Gespräch. Dafür klären uns die beiden Versuchsleiterinnen darüber auf, dass sie uns reingelegt haben. Die Gespräche dauerten nicht länger als zwei bis drei Minuten, die zwei haben einfach draussen gewartet. Dachte ichs mir doch!

Die «extralangen» Gespräche waren also fiktiv, und dienten einzig dazu, unsere Reaktion beim Zusammenkommen zu beobachten. Hat wohl nicht geklappt, wir waren wie immer. Wie war das bei den 40-jährigen Paaren, die dieselbe Studie absolvierten? Wie hätten wir reagiert, wenn wir schon 40 wären? Mich fasziniert, wie gutgläubig ich die ganze Zeit war. Mir ist nicht aufgefallen, dass nie jemand die Kamera eingestellt hat, mir war relativ egal, dass das vermeintlich zum Versuch gehörende Gespräch so kurz war. Auch dass wir immer wieder alleine gelassen wurden, hat mich nicht misstrauisch werden lassen.

Fazit: Langweilig. Null Erkenntnis. Null Paartherapie. Drei Cracker und zwei Schöggeli gegessen. Das nächste Mal gehe ich wieder ans IEW.