Zürcher Studierendenzeitung

Lieber Ovid, ich will eine Mitstudentin ins Bett kriegen. Was soll ich tun?

Klaus Berger

Lieber Klaus

Sicher führ ich dich, Jüngling, zum Ziel. Amors Jagdgrund ist gross. Wisse auch du Bescheid um den richtigen Ort und die günstigste Stunde, eine Liebste zu treffen. Lehne dich im Lichthof an eine der Säulen, schmachte die Holde an, dein Blick begleite ihren Weg!

Versäume das Essen nicht, Freund! Durch das frohe Gewimmel der Mensa windet sich Amor geschickt, dort ist lautes Geplauder gestattet und du brauchst nicht heimlich Augen- und Fingersprache zu üben. Dicht an die Seite der Holden musst du dich schlängeln, im Gedränge kann sie deine Berührung nicht fliehen, wenn du dich anschmiegst, nur scheinbar vom Nachbarn gedrückt.

Geh auch in den Ausgang. Dort zeigt sie sich im Glanze und enthüllt blendende Schultern, freu dich! Dort kannst du sie nach Gefallen bewundern, sprechen mit Fingern und Blick, wie der Augenblick es will. Du musst auch gewiss nicht mit Bimsstein die Schenkel enthaaren, weibische Sitten lass anderen, Männern geziemt vor allem natürliche Frische. Trage passendes Schuhzeug, schlechtes wirkt abschreckend, halte Zähne und Mund frisch, so reizt du zum Küssen.

Reich ist die Welt an Versprechen. Schreibst du das erste Email, versprich alles, was es gibt. Versprechen kosten dich nichts! Ach! Süss ist süsser Betrug. Bleibt sie stolz und antwortet nicht, Freundchen, so verzweifle nicht, sie wird es schon gelesen haben! Schick es noch ein zweites Mal. Beharrlichkeit bringt dich zum Ziel. Auch wildeste Stiere gehorchen und ziehen endlich im Joch.

Aber: Frauen sind so verschieden wie reich an der Zahl, ebenso die Mittel, um sie zu verführen. Anderer Boden, das weisst du, gibt andere Frucht, dort grünt der Weinstock, hier wächst die Olive, und Schilf steigt nur aus dem Sumpfe. Publius Ovidius Naso, *43 v. Chr. – †17 n. Chr, verfasste das Liebeshandbuch «Ars Amatoria». Es heisst, Augustus habe ihn deswegen ans Schwarze Meer verbannt.