Samuel Nussbaum

Ach du studierst Maschinenbau?

Alles Technokraten ohne Blick fürs Wesentliche im Leben?

4. Mai 2009

ex steht in einer Disco an der Bar, während x2 und x3 sich auf der Tanzfläche vergnügen. Die beiden kommen herüber und sagen zu ex: «Komm schon! Integrier dich mal!» ex antwortet: «Ach nein, ist doch immer das Gleiche.»

Die Pointe schlägt ein: Ein Student in Fleecejacke und Turnschuhen bricht in Gelächter aus. Mit 400 weiteren Maschinenbauingenieur-Studierenden (die fünf Studentinnen im Raum verlangen die geschlechterneutrale Form) setzen sich die beiden hin. Wir befinden uns in irgendeinem riesengrossen ETH-Hörsaal. Die künftigen Maschinenbauingenieure starren an die Tafel, an der sich ein Chaos an Formeln auftürmt. Doch nicht nur die Tafel lockt die Aufmerksamkeit eines Studenten. Ab und zu wirft er einen Blick zur Studentin in der Reihe vor ihm (die restlichen vier befinden sich ausser Sichtweite). Würde nicht auch sie eine Fleecejacke tragen, müssten wir uns um die fachliche Kompetenz der zukünftigen Ingenieure ernsthafte Sorgen machen.

Die Fleecejacke ist textilgewordenes Symbol der praktischen Rationalität dieser Sorte von Studierenden. Der Ingenieur – und im Besonderen der Maschinenbauingenieur – ist ein Meister darin, für jedes praktische Problem die effizienteste Lösung zu finden. Die Fleecejacke ist leicht, robust und hält fast jeder Witterung stand. Im Winter, an kühlen Sommerabenden und sogar bei Wind oder bei leichtem Regen bietet sie besten Schutz. Auch sonst ist der Maschinenbauingenieur äusserst geschickt darin, seinen Alltag reibungslos zu gestalten. Würde ein Brand ausbrechen, wäre er mit seinen Turnschuhen als erster im rettenden Freien. Er besitzt den schnellsten Computer, nimmt den schnellsten Weg vom Bahnhof zur ETH und spart Kosten, indem er technische Geräte selber repariert.

Die Ingenieure vergessen dabei leicht: Leben ist keine Technik und die Gesellschaft keine Maschine. Auch der schnellste PC ist nicht kreativ und Umwege sind oft am allerschönsten.

Doch eines sei den Maschinenbauingenieuren gelassen: ihr äusserst grandioser Sinn für Humor.

Stimmts? Ein Maschinenbauer antwortet:

Da sitze ich nun und denke zurück an die Zeit, als ich mich entscheiden musste, was ich studieren will. Als ich dann in der Beschreibung für Maschinenbau las, dass die Frauenquote teilweise negativ angegeben wird und alle Fleecejacken tragen, dachte ich mir sofort, dass dies mein Studiengang ist. Klingt doch besser als eine Ausbildung zum Kellerkind, sprich Mathematiker oder Informatiker.

Die aufgelisteten Vorurteile treffen jedoch kaum auf uns Maschinenbauer zu. Obwohl der Frauenanteil

tendenziell tief ist, fällt es den Maschinenbauern dank ihrem breiten Wissen leicht, mit Studentinnen anderer Studiengängen zu kommunizieren, ohne gleich als Nerd abgestempelt zu werden. Zudem findet man im Hörsaal der Maschinenbauer kaum eine Person, die eine Fleecejacke trägt. Der wilde Mix aus Karohemd-Strebern, H&M-Typen und schwarz gekleideten Rockern macht den Hörsaal zu einer Attraktion in Sachen Kleiderstil.

Dass wir unseren Tagesablauf reibungslos gestalten, ist eine Folge der ersten drei Semester. Der Einfachheit halber rechnen wir stets reibungslos und adiabat. Das sind nur so einige der geliebten Vereinfachungen für Ingenieure. Während der durchschnittliche Mathematiker zehn Stunden an einem Beweis sitzt, begnügen wir uns mit einem kleinen Beweis für Ingenieure oder akzeptieren die Materie so wie sie ist. Nicht umsonst nennen wir uns dann mal InGENIEure.

Obschon wir durchaus die Fähigkeiten hätten, unsere Geräte selber zu reparieren, wissen wir doch, dass es stets Spezialisten gibt, die auf diesem Gebiet besser sind und so akzeptieren wir die Tatsache, stets einen Überblick über ein Gebiet zu haben, doch nie alle Details kennen zu müssen. Also weichen wir der mühsamen Reparaturarbeit aus und geniessen stattdessen ein kühles Bier im bQm. Denn eines ist sicher, Bier trinken können Maschinenbauer.

Raphael Schär,

Redaktionsmitglied AMIV Blitz, der Fachvereinszeitschrift des AMIV