Leserbriefe

Unsere letzte Titelstory in der ZS #1 / 09 hat die Portagonisten verärgert. Wir entschuldigen uns für die handwerklichen Fehler und bieten ihnen hier Platz für eine Gegendarstellung.

25. März 2009

Adrian

Ein Artikel, wieso Menschen politisch links aktiv sind. Tönte spannend, also wieso nicht dabei mitmachen. Der Artikel flau, einige Personenporträts ohne roten Faden und abschliessend eine Verurteilung der weltfremden Idealisten. Garniert mit einem Bild von Lenin auf der Titelseite. Revolution ist böse. Ich werde als Wiedererwecker eines Massenmörders hingestellt, ohne dass meine Meinung zu Lenin ein Thema gewesen ist. Das Bild der zersplitterten unfähigen Linken – keine Frage wert. Dafür soll ich die Globalisierung rückgängig machen wollen, nur weil ich mich für eine dezentral produzierende Energie-, Wasser- und Lebensmittelversorgung ausgesprochen habe, die die Abhängigkeit von globalen Transporten zur Befriedigung der Grundbedürfnisse beendet. Der Artikel zelebriert Stereotypen.

Doch begründete nicht eine Revolution den Staat in dem wir heute leben. Revolutionen – sei es die amerikanische, die französische oder andere – schufen einen Grossteil der Welt wie sie heute ist. Neue Ideen und träge politische Systeme waren ihre Basis, Unterdrückung, Hunger oder Kriege ihre Auslöser. Die herrschenden Wirtschafts- und Politiksysteme wollen und können die globalen Probleme nicht lösen. Die Konsequenz ist?

Michael Koller

Die gegenwärtige scheint nicht unbedingt eine Zeit der Antworten zu sein. Wenn das Institute for Policy Analysis an der Universität von Toronto die wirtschaftlichen Wirren des Tages beurteilen soll, tut es das redlicherweise gleich unter dem Titel: «We don’t have a clue and we’re not going to pretend we do.» So viel Zurückhaltung mag sich allerdings hierzulande etwa die Credit Suisse nicht leisten und sie lässt uns daher in einem Beitrag ihres E-Magazines wissen, wer Schuld ist an der Misere: die US-Babyboomer, die u. a. einfach zu wenig für schlechte Zeiten gespart haben. Wohlverstanden: sie hätten sich nach Meinung der CS nicht etwa während des Aufschwungs zurückhalten sollen – damit hätten sie ja die schönen Wachstumsraten der vergangenen Jahre ausgebremst.

Ein durchaus interessanter Fall von selektiver Blindheit… Beileibe nicht immer ist die offensichtliche eigene Interessiertheit bei der Beantwortung einer Frage das Problem, wenn die Antwort nicht befriedigt. Manchmal hat man auch nur die Perspektive verfehlt, aus der sich einem das jeweilige Untersuchungsobjekt am fruchtbarsten erschliessen würde. Solches darf man getrost für den Artikel «Lenins einsame Erben» konstatieren, der diese Replik nötig und möglich gemacht hat.

Anstatt mit einer gehörigen Prise Ironie und einem bestenfalls als Füllung für einen Glückskeks geeigneten Ausspruch von Theodor Fontane im Gepäck nach ExponentInnen einer Uni-Linken zu fahnden, hätte man dem geneigten Leser / der geneigten Leserin vielleicht besser ein paar brennende Fragen des Tages vorgelegt und ihm / ihr das Urteil selbst überlassen, welche politische Reaktionen sie verdienen. Dies nachzuholen ist mir hier aus Platzgründen nicht möglich, aber zweierlei sei an Stelle von vielem in den Raum gestellt: Erstens, was bedeutet eigentlich die nur vordergründig triviale Aussage, es gebe derzeit «weniger Arbeit» und daher müssten – natürlich nur vorübergehend – mehr Menschen auf der wirtschaftlichen Reservebank Platz nehmen?

Sind denn die Bedürfnisse nach Gütern und Dienstleistungen, nach Gebrauchswerten also, plötzlich weniger geworden? Und wenn es daran ganz augenscheinlich nicht liegt, woran dann? Zweitens hört man derzeit auch häufig, es sei halt wieder einmal Zeit für eine Krise, das komme so alle zehn Jahre vor, danach ginge es dann im bekannten Hurra-Stil weiter. Dass Krisen mit unschöner Regelmässigkeit wiederkehren, lässt sich allerdings schwer leugnen. Aber ist der Konjunkturzyklus tatsächlich ein überhistorisches und naturnotwendig über den Menschen schwebendes Verhängnis? Oder wäre es vielleicht gerade jetzt wieder einmal angebracht, dieser Alltagsmetaphysik etwas grundsätzlicher zu Leibe zu rücken?

Walter und Heinz

Vier Seiten plus Titelbild widmen die Autoren ihrem Artikel, der angeblich die Erkundung des linksradikalen Spektrums an der Uni Zürich zum Ziel hat. Die Auswahl der Protagonisten wirkt etwas beliebig und dem Zufallsprinzip geschuldet.

Über das politische Profil der Erwähnten erhält man keine zusammenhängende Informationen und der Leser erfährt aus dem Artikel kaum mehr über aktive Linke an der Uni Zürich als er oder sie es gelegentlich aus Gesprächsfetzen beim Kaffeeautomaten entnehmen kann. Offenbar geht es den Autoren nicht darum, Beweggründe und Ideologien der Betroffenen aufzuzeigen als vielmehr darum, in behäbiger Weise über radikale Linke als eigenartige Spezies im Abseits des Unimainstreams zu berichten.

Überhaupt ist der Artikel so lanciert, als seien heutige Linksradikale jeglicher Couleur Ausläufer vergangener Zeiten (Bsp. Titelcover). Dass wohl die meisten der heutigen Linken kaum persönliche Anknüpfungspunkte an vergangene Bewegungen wie ’68 oder ’80 vorweisen können, sondern viel mehr aus Opposition zu den gegenwärtigen Verhältnissen politisiert und radikalisiert wurden, müsste eigentlich auf der Hand liegen.

Dass die ZS in Zeiten der grossen Wirtschaftskrise, der offensichtlich gewordenen, ideologischen Orientierungsproblemen der etablierten Parteien und der lokal wie global wachsenden sozialen Kluft, über linke Antikapitalisten berichtet, als handle sichs um einen Club nostalgischer Revolutionsfetischisten, offenbart eine gewisse Unzeitgemässheit.

David Gallusser

Die Weltwoche wird wohl ihre liebe Freude an der ZS haben. Hätte doch der Artikel über die Linke an der Uni gerade so gut in Köppels konservativem Kampfblatt erscheinen können.

Denn die Linke wurde im Artikel nicht wirklich porträtiert. Vielmehr wurde sie mit vorgefertigter Meinung als ein Haufen weltfremder Träumer in die Pfanne gehauen. Aussagen wurden letztlich, wenn nicht ganz ignoriert, so doch mit dem Brecheisen zurecht gebogen.

Hätte man gewollt, hätte man gezeigt, wie ich konkret für sozialen Fortschritt kämpfe. Man hätte erfahren, dass wir uns im StuRa für mehr günstigen studentischen Wohnraum in Zürich einsetzten. Es wäre klar geworden, dass wir JUSOs Abzockerlöhne begrenzen wollen, um auch jene am Kuchen teilhaben zu lassen, die ihn Jahr für Jahr mit ihrer Arbeit backen. Oder man hätte gezeigt, wie mit dem ökologischen Umbau der Wirtschaft und einem bedingungslosen Grundeinkommen eine andere Welt aussieht.

Objektiv ist der Artikel darum nicht. Politisch allerdings schon. Anstatt die Ursachen der heutigen Krise und das Versagen der neoliberalen Marktideologen zu benennen, wurden Alternativen im Vorhinein diskreditiert. Ganz im Sinne der Bürgerlichen – und der Weltwoche.

Korrigenda

Folgende Fehler haben sich im Porträt von Adrian eingeschlichen: Er ist 25 und nicht 24 Jahre alt. Beim Treffen rauchte er keine Zigarette. Und er will später nicht unbedingt in einer politischen Organisation arbeiten. Ausserdem druckten wir einige Zitate nicht im ursprünglichen Wortlaut. Sorry!