Jeder Krankheitsschub von Multipler Sklerose trägt ein anderes Gesicht. Samuel Nussbaum

Krankheit der 1000 Gesichter

Laura Domenico* hat Multiple Sklerose. Als künftige Ergotherapeutin behandelt sie Menschen mit derselben Krankheit. Eigene Erfahrungen helfen ihr dabei.

25. März 2009

«Im Moment geht es mir ausnahmsweise einmal gut», sagt Laura Domenico* lächelnd – um gleich darauf den Holztisch anzufassen. «Immer wenn ich das sage, geht es mir kurz darauf schlechter.»

Laura leidet an Multipler Sklerose (MS), einer unheilbaren, chronisch-entzündlichen Krankheit, bei welcher die Nervenstrukturen des Zentralen Nervensystems durch eine noch unerklärbare Fehlreaktion des Immunsystems angegriffen werden. Die Symptome sind vielfältig und reichen von Taubheitsgefühlen, Sehstörungen, Gleichgewichtsstörungen bis zu Lähmungen und vielem mehr. Sie treten bei allen Patienten verschieden stark und häufig auf, weshalb MS auch die «Krankheit mit den 1000 Gesichtern» genannt wird. Die Diagnose MS bekam Laura vor vier Jahren, als sie gerade mitten in den Abschlussprüfungen der Diplommittelschule steckte. Damals war sie 18 Jahre alt.

«Als ich die Diagnose bekommen habe, dachte ich zuerst, alles sei vorbei und ich würde morgen im Rollstuhl sitzen», erzählt Laura. Doch ehe sie es sich versah, waren die Prüfungen geschafft und Laura stand vor der Entscheidung ob sie ihr geplantes Ergotherapie-Studium trotz Krankheit aufnehmen sollte. Dass sie sich damit für einen Beruf entschied, bei dem sie zugleich Therapeutin und Patientin sein würde, war ihr sehr wohl bewusst. «Viele haben sich über meine Entscheidung gewundert und gesagt, ich könne doch so einen Job nicht machen, wenn ich selber krank sei», berichtet Laura. Ihre durch die Erkrankung gemachten Erfahrungen empfand sie jedoch von Anfang an als Vorteil. Denn wie sich ein Patient fühlt, kann man aus Büchern nicht so gut lernen, wie durch die eigene Erfahrung.

Wenn man Laura so reden und lachen hört, fällt es schwer, sich vorzustellen, dass sie alle acht bis zehn Wochen an einem neuen Schub leidet. Multiple Sklerose verläuft schubweise und bei Laura gingen die Krankheitssymptome bis jetzt immer wieder vollständig zurück. «In den letzten vier Jahren habe ich wohl rund eine Tonne Cortison verabreicht bekommen», seufzt Laura. Zusätzlich nimmt sie verschiedene andere Medikamente, die ihr eigenes Immunsystem schwächen, da dieses die Nervenstrukturen angreift. Das hat zur Folge, dass sich Laura ständig müde fühlt, als ob sie eine Grippe mit sich herumschleppen würde. In diesem Zustand muss sie an der Fachhochschule ein Vollzeitstudium bewältigen. Durch die regelmässigen Ausfälle hinkt sie dem Unterrichtsstoff dauernd hinterher. Im Moment macht sie ein Zwischenjahr – auch, um sich wieder zu erholen.

Sie habe es nie bereut, die Ergotherapie-Ausbildung angefangen zu haben. Auch wenn es schwer sei, anderen kranken Menschen Trost und Kraft zu spenden, wenn dies einem selbst gerade fehlt. Laura schafft es, das Positive zu sehen: «Ich habe oft mit Menschen in schwierigen Situationen zu tun, die ihr Leben dennoch meistern. Das motiviert mich selber immer wieder von Neuem aufzustehen und weiterzumachen.»

*Name der Redaktion bekannt