Thomas Huber unterwegs im «Geheimgang» durch die Mensa. Lukas Messmer

Ein Leben auf Rädern

Für Thomas Huber ist das Rollstuhlfahren Alltag.

25. März 2009

In der ZS berichtet er über zu hohe Brötchentürme, vollgestopfte Lifte, studentische Hindernisse – und Superman.

9.50 Uhr, die Fahrt über das Kopfsteinpflaster vor dem kunsthistorischen Institut hat mich nicht wirklich wach gerüttelt, der Kaffee muss es richten. Hintereingang Kollegiengebäude, Rampe hoch, dann reihe ich mich in die Schlange vor dem Rondell ein und geniesse für einen kurzen Moment den Vorzug, nicht anstehen zu müssen. Allerdings ist die Wartezeit nicht lange genug, um tatsächlich Mitleid mit den Fussgängern um mich herum zu entwickeln. Gemeinsam rücken wir vorwärts, bis ich an der Reihe wäre. Nur türmen sich zu dieser Zeit noch die Brötchen auf der Auslage und verhindern den Augenkontakt mit der netten Dame hinter dem Tresen. Was zur Folge hat, dass diese zuerst die hinter mir stehende Studentin um ihre Bestellung bittet. Aber wie immer ist Verlass auf die Höflichkeit der Rondell-Kunden und die Angestellte wird darauf aufmerksam gemacht, dass sich hinter dem Brötchenberg noch jemand versteckt.

10.10 Uhr, die Zeit wird knapp

Wie immer sind die Gänge voll und lahme Studenten bremsen mich aus. Eilig umkurve ich die Hindernisse, was auch heute ohne Folgen bleibt; weder gequetschte Zehen noch durchtrennte Achillessehnen säumen meinen Weg zum Personallift. Im Stock F angekommen zünde ich den Turbo und erreiche das Zimmer bevor die Türe geschlossen wird. Wie meistens ist der reservierte Platz noch frei. Während ich mein Schreibzeug auspacke, frage ich mich, welche Bedeutung es wohl für mein Studentenleben haben könnte, dass mein Platz meist rechts vorne ist. Meine Mitstudenten drängen mich womöglich ganz unbewusst ins politisch rechte Lager. Und ob es von Vorteil ist, wenn die Dozenten mich in der linken Ecke sehen, ist auch nicht offensichtlich.

12.00 Uhr, die Odyssee beginnt

Das Essen will hier hart erkämpft werden. Einmal quer durch das Hauptgebäude, erste Liftfahrt. Vorbei am Kiosk und weiter geht es in die Tiefe. Kurzer Boxenstopp auf der Toilette und auf zur Küche, wo der dritte Aufzug mich in die untere Mensa führt. Der Weg durch die Küche ist immer ein Aufsteller: ein freundliches Lächeln des Personals da, ein «En guete!» dort. Man hält mir Türen auf, reicht mir den Salat und die Dame an der Kasse verzichtet darauf, dass ich ihr die Legi zeige. Manchmal frage ich mich, wie öde es sein muss, ohne wirkliches Erkennungsmerkmal anonym durch die Uni zu ziehen.

16.00 Uhr, ein letzter Kaffee

Ich schaue durch den Lichthof, da schwappt ohne Vorwarnung eine Welle grünes Kryptonit über mich. Mir wird augenblicklich klar, wie Superman sich gefühlt haben muss, eingeschlossen in diesem Zeug und all seiner Kräfte beraubt. Denn da baumeln sie wieder, die Beine! Zig Meter über dem Boden sitzt ein Unerschrockener am Rande des Abgrunds und liest gemütlich ein Buch. Und hält mich damit im Kryptonit gefangen. Tja, denke ich, pass selber auf dich auf, Superman ist bis auf weiteres unabkömmlich.