Duell: Osterhase

Du magst wohl Blackberrys, Computer und adrette Hemden?

25. März 2009

Dafür

Schande über all jene, die an ihm zweifeln! Schande über euch, die ihr den Osterhasen verleugnet! Ist euch denn nicht klar, dass dieses Tier ein gesegnetes Wesen Gottes ist? Genau so wie der Osterhase ist auch Jesus ein solch heiliges Wesen. Ihr Ketzer, die ihr nicht an Osterhas, Nikolaus und Jesus glaubt, wisst wohl nicht, dass wir am Ostersonntag die Auferstehung Jesu Christi feiern, das heiligste Fest der Christen überhaupt. Ihr Sünder kauft euch schon während der Fastenzeit Schokolade, die aussieht wie Hasen, lächerliche Plagiate, die nicht das Geringste mit dem Osterhase gemein haben. Weil ihr euren Glauben an die Macht Gottes verloren habt, müsst ihr eure Ostereier selber verstecken, in der absurden Hoffnung, eure Kinder und Kindeskinder würden es nicht merken. Doch seid versichert, so tragt ihr eure eigenen Zweifel in die Herzen eurer Zukunft. Würdet ihr auf Gott vertrauen und während den 40 Tagen vor Ostern angemessen fasten, so würdet ihr am Ostersonntag dafür belohnt. Aber nicht nur euer Fleisch ist schwach, nein, auch euer Geist. Was er nicht sehen kann, an das glaubt er nicht.

Und so würdet ihr den Osterhasen auch nicht sehen, wenn er vor euch stünde. Ihr würdet ihn vermutlich für einen ganz normalen Hasen halten. Wahrscheinlich würdet ihr ihn schlachten und verspeisen, ihr Gotteslästerer. Dabei symbolisiert dieser unscheinbare Hase die Auferstehung, genau so wie die Hostie den Leib, der Wein das Blut Christi symbolisiert. An der Hostie, die ihr bei der Kommunion verzehrt, zweifelt ihr doch auch nicht? Nein, die lasst ihr euch genüsslich auf der Zunge zergehen.

Und genauso wie die Hostie und der Wein, so ist auch der Hase ein wahrhaftiges Symbol. Oder glaubt ihr etwa, unsere Kirchenväter würden sich solche Symbole aus dem Ärmel schütteln? Daran will ich gar nicht denken. Nun lasst euch bekehren und von eurem Unglauben befreien. Lasst ab von der verführerischen Schokolade in Coop und Migros! Lasst ab vom lästerlichen Verstecken der Eier, lasst ab von euren Zweifeln und wartet demütig auf den Ostersonntag. Denn an diesem Tag wird er sich euch offenbaren, genau wie er es bei mir getan hat.

Dagegen

Es gibt einen guten Grund, den Osterhasen daneben zu finden. Hier ist er:

Der Volksmund weiss es schon längst: Ehrlichkeit währt am längsten. Findest du die neuen Schuhe der Freundin scheisse? Dann steh dazu! Du kannst das Parfum deines Arbeitskollegen nicht mehr riechen? Sag es! Denn irgendwann verplapperst du dich sowieso und dann stehst du als unehrliches Kollegenschwein da. Auch beim Osterhasen ist Ehrlichkeit Trumpf, schliesslich kommt es für die Kleinen immer zu diesem einen desillusionierenden Tag, an dem die Wahrheit über die versteckten Osternästlis ans Licht kommt. Das ist meist kein schöner Moment, ungläubig starrt das Kind auf den Vater, der sich verplappert hat und auf einen Schlag verliert der Ostersonntag an Zauber und Magie.

Die grosse Enttäuschung folgt, jeder kennt es noch von sich selbst: Man ist saumässig enttäuscht, eine veritable Institution löst sich in Luft auf und das Leben erscheint fad. Der Osterhase ist das erste Traumata im noch jungen Leben und deswegen ist der Osterhase daneben. Und es kommt noch schlimmer, schliesslich ist das Leben kein Ponyhof. (Zum Glück, muss man sagen, ist das Leben kein Ponyhof, aber dazu später mehr.) Es kommt zu weiteren Traumatas in Form des Samichlaus oder des Christkindes. Auch diese Lichtgestalten der Kindheit werden demaskiert und die Feiertage sind plötzlich nur noch halb so interessant. Wie soll ein Mensch mit diesen multiplen Traumatas sein Vertrauen in das Leben beibehalten, wenn man als Kind solch herbe Enttäuschungen erlebte und merkte, dass man in einer Illusion lebte und dies gleich mehrmals? Kein Wunder also herrscht überall Misstrauen, die Ehefrau verdächtigt den Ehemann des Seitensprunges, die Kioskfrau die Jungs des Kaugummidiebstahls und der Nachbar die Nachbarin des Schummeln beim Waschen.

Das Osterhase-Trauma ist schuld am kollektiven Misstrauen. Würde man also die Kleinen ehrlich aufziehen, ohne ihnen Unfug über einen Osterhasen zu erzählen, gäbe es keine sich tief eingrabenden Enttäuschungen und die Welt wäre ein bisschen besser und netter. Ein Ponyhof eben. Aber sind wir mal ehrlich, wer möchte schon auf einem Ponyhof leben? Den ganzen Tag nur im Kreis rennen und Karotten fressen? Genau: Langweilig! Dann doch lieber Enttäuschungen einstecken und dafür was erleben. Aber nicht weiter sagen.