Dora und Janek. PD/Leonard Zubler

Bomben für die Gerechtigkeit

Werner Düggelin inszeniert «Die Gerechten» von Albert Camus und trifft damit die Nerven der Zeit – Terrorismus, Widersprüche und die Liebe.

16. März 2009

Es herrscht eine beklemmende Stille, mit der Werner Düggelin jeden der fünf Akte von «Die Gerechte» einleitet. Der Raum der terroristischen Zelle ist kalt und leer. Dora (Cathérine Seifert) sitzt an einem kleinen Tisch und bastelt an einer Bombe. Borja (Marcus Bluhm), der Chef der Organisation, die Russland von dem Zaren befreien möchte, schaut durch einen Kontrollschlitz und wartet. Allmählich betreten weitere Terroristen den Raum. Stepan (Jörg Pohl) fällt durch seinen bestimmten Schritt auf – nach drei Jahren Folter im Straflager kehrt er zur Organisation zurück und ist voller Tatendrang. Ginge es nach ihm, soll «kein Stein auf dem anderen bleiben». Iwan Kaljajew (Jan Bluthardt), den sie alle Janek rufen, hingegen tänzelt in die kalte Stube. Er strahlt Wärme aus. Er ist der Stürmer und Dränger der Truppe, für den Poesie revolutionär ist. Für Stepan ist nur die Bombe revolutionär. Janek bringt Liebe in die sonst verbitterte und von Zorn getriebene Organisation. Er glaubt so fest an die Idee der Organisation wie alle anderen, liebt aber die Schönheit und das Glück und möchte auch geliebt werden. Das wird er von Dora. Diese ist zwar nicht frei von Zweifeln, ob es richtig ist, zu töten, glaubt aber genau so an die Idee wie ihre klandestinen Genossen.

«Ich töte für die Revolution – aber ich bin kein Mörder!»

Seit Wochen ist alles geplant. Der Grossfürst Sergej, der Onkel des Zaren, soll auf dem Weg zum Theater in der Kutsche getötet werden. Janek ist bestimmt, die erste Bombe zu werfen. Doch man hört kein Knall, stattdessen kehrt Janek zurück und sagt er habe die Bombe nicht werfen können. Die Kinder des Grossfürsten befanden sich in der Kutsche. Abgesehen von Stepan sind sich alle einig, die Organisation soll den Kindern Russlands ein freies Russland schenken und sie nicht töten – die Planungen für ein Attentat beginnen von Neuem. Im zweiten Versuch klappt das Attentat: Janek wirft die Bombe, tötet den Grossfürst und kommt ins Gefängnis. Aus dem Raum der terroristischen Zelle, ist eine Gefängniszelle geworden. Janek ist glücklich: Die Ewigkeit zwischen dem Attentat und dem Schafott sei die einzige Ewigkeit, die er haben könne. Er habe bereits beim Attentat sein Leben gegeben, nun soll er erhängt werden, für ihn sei dies eine Ehre. Daran ändert auch das Gespräch mit der Frau des Grossfürsten, die Janek als Mörder bezeichnet nichts. Janek ist am Ziel als er gehängt wird – für Dora ist es jetzt klar: Sie möchte die nächste Bombe werfen und Janek damit folgen. Frei nach Romeo und Julia: «O Liebe! O Leben! Nicht Leben aber Liebe im Tod.»

Prägnante Dialoge

Düggelin gibt Camus in einer sehr komprimierten Form wieder, der Fünfakter dauert neunzig Minuten, die Dialoge sind kurz und prägnant. Es werden zahlreiche Fragen aufgeworfen, die jeder für sich selbst beantworten muss. Wer bestimmt, was Gerechtigkeit ist? Die Organisation liebt das Volk, aber wird diese Liebe auch erwidert? Kann man sich überhaupt der Liebe hingeben, wenn man sein Leben in den Dienst der Revolution stellt? – Dora und Janek können das und werden im Tod vereint. Es ist ein Stück, das von den Dialogen lebt und eher untheatral ist. Düggelin zeichnet mit der Raumaufteilung, in der sich die Personen oft fast statisch gegenüberstehen, schöne Bilder. Vor allem Jan Bluthardt und Jörg Pohl wissen zu überzeugen, während es Cathérine Seifert schwerfällt, die Dialoge authentisch wiederzugeben. Sie fällt ungewohnt ab, ist sie es doch sonst die, welche meist positiv aus dem Zürcher Ensemble heraussticht. Wenig Action, aber eindrückliche Dialoge: Es lohnt sich eine Auszeit aus dem hektischen Alltag zu nehmen und sich im Schauspielhaus den aufgeworfenen Fragen zu widmen.

Was: Theater «Die Gerechten»

Wann: 17. April, 20 Uhr

Wo: Schauspielhaus Zürich

Verlosung: Gewinne 3 × 2 Tickets

Teilnahme: bis am 10. April