Reporterin Mirjam Sidler tauschte ihren Kugelschreiber gegen den Wischmop. Simon Brühlmann

Indianer und fünf Kilo Kaugummi

Sie putzen unseren Dreck und räumen alte Zeitungen weg: Die Frauen von der Unterhaltsreinigung. Unsere Reporterin schwang einen Tag lang den Wischmop.

14. Februar 2009

Da stehe ich nun am Bahnhof in Uster. Es ist eiskalt, Wintersemesterferien, kurz nach fünf Uhr morgens und ich bin auf dem Weg zur Uni – um sie zu putzen. Mit den Zugfahrplänen um diese gottlose Zeit nicht vertraut, fährt mir der erste Zug gleich vor der Nase weg. Endlich am Stadelhofen angekommen, ist dann natürlich weit und breit kein Tram in Sicht. Keuchend schleppe ich mich die Rämistrasse hoch und schwöre mir wieder einmal, dass ich meinen nächsten Ausflug in den ASVZ machen werde.

An der menschenleeren Uni werde ich von Jaqueline Geraci in Empfang genommen, die mir erst mal das Reinigungssystem der Uni erklärt: Die blauen Mikrofasertücher fürs Abstauben, die gelben für Lavabos und die roten für die Toiletten. «Die Uni vertritt ein äusserst ökologisches Reinigungssystem. Es wird nur mit Wasser und Kalkentferner für die Toiletten gearbeitet», sagt Geraci stolz. Dank zwei Sommern als Reinigungskraft im Altersheim sind mir die meisten Reinigungsutensilien bereits vertraut: Das Teil, an dem man die Bodenwischlappen befestigt, erkenne ich auf Anhieb. Ein fröhlichbunter Besen mit Teleskopstiel beseitigt Spinnennetze. Der «Indianer», eine Bürste mit Irokesenhaarschnitt, reinigt zwischen den Heizkörperstangen. Doch was hat der überdimensionale Schaber, der da unschuldig an einem Schnürchen baumelt, hier zu suchen?

«Damit wurden im Vorlesungssal am Häldeliweg schon bis zu fünf Kilo Kaugummi von den Tischen gekratzt», berichtet mir Herr Lourenço, wie Frau Geraci einer von drei Teamleitenden des Reinigungsdienstes, später. Offenbar bin ich mit der Angewohnheit, meine Kaugummis in Abfalleimern zu entsorgen, eine Ausnahmeerscheinung.

1000 Liter Abfall nach der Prüfung

Nach dieser Einführung kriege ich einen Kittel mit Unilogo und ein Paar Handschuhe und werde im Stock K bei Frau Sicuro abgeliefert. Bis zur Pause um halb neun demoliere ich dann mit meinen ersten, etwas zu schwungvollen Wischversuchen beinahe eine PC-Abdeckung, stolpere mehrfach über Abfalleimer und knalle mit dem Wischmop gegen allerlei Tisch- und Stuhlbeine.

Der Uniturm, für dessen Reinigung Frau Sicuro seit zwei Jahren zuständig ist, erweist sich als interessante Arbeitsstätte. Wir fahren mit dem Lift rauf und runter, um die Büros der Angestellten möglichst vor deren Ankunft zu reinigen. Da es für meine und offenbar auch für Professoren-Verhältnisse immer noch unanständig früh ist, gelingt uns das ohne Probleme. Auch wenn sich in einigen Büros das Geschirr auf den Gestellen und die Notizen auf dem Boden stapeln.

Bis um halb neun habe ich immer noch keine Studierenden zu Gesicht gekriegt. Gegen Ende der Semesterferien herrscht im Uniturm tatsächlich tote Hose. Ganz anders sei das aber wenn die Studierenden da seien. «Der Boden ist dann voll von Petflaschen, Zeitungen, Essensresten und wenns regnet, auch von Schirmen», erzählt mir Frau Sicuro. Nach einer Prüfung wurden schon über 1000 Liter Abfall im Vorlesungssal KOH-B-10 zusammengeräumt.

Unhöflich seien die Studierenden jedoch nie und auch Klagen gäbe es selten. Das erwähnt später auch Angelika Joss, die Abteilungsleiterin: «Rückmeldungen bekommen wir hauptsächlich, wenn es Probleme gibt. Wenn alles in Ordnung ist, hört man meistens nichts.» Joss und ihre drei für die Grund- und Unterhaltsreinigung, sowie Entsorgung und Recycling zuständigen Teamleitenden haben mich nämlich in der Pause zu einem Kaffee eingeladen. Die halbe Stunde geht schnell vorbei und ich staune über den logistischen Aufwand, der hinter dem sauberen Erscheinungsbild der Uni steckt.

Nach der Pause stürze ich mich frischen Mutes auf die Toiletten im Uniturm. Jetzt kommen die Handschuhe erstmals zu ihrem Einsatz – auch wenn die Toiletten so gut wie gar nicht schmutzig sind. Wahrscheinlich wäre die ganze Sache während des Semesters anstrengender und lehrreicher gewesen. Trotzdem werde ich mir in Zukunft zweimal überlegen, ob ich das Petfläschchen und das 20Minuten wirklich alleine stehen lassen, oder nicht doch zu ihren jeweiligen Abfallbehältern begleiten möchte.

Rauchverbot gegen den Dreck

Ohne herrenlose Abfälle und trotz meiner Hilfe geht uns gute anderthalb Stunden vor Schichtende die Arbeit aus. Wirklich dreckig war eigentlich nur eines der Sitzungszimmer im zweitobersten Stock. Dort mussten wir noch Geschirr wegräumen, was eigentlich Aufgabe des Mensateams wäre – aber Frau Sicuro und ich waren schneller.

Bevor wir uns wieder in die Eingeweide der Uni zurückziehen, zeigt sie mir noch schnell das Restaurant im Uniturm und den Balkon, der es umgibt. Von da aus hat man einen wunderbaren Blick auf die Stadt. Früher seien die Studierenden vor allem zum Rauchen hier hinauf gekommen, meint Frau Sicuro. «Zum Glück ist das jetzt verboten, das heisst nämlich weniger Dreck!»

Das mit der ausgegangenen Arbeit war übrigens ein Trugschluss. Nachdem wir die Phonetik-Bibliothek abgestaubt, die frisch gewaschenen Mikrofasertücher zusammengefaltet und nach Nummern sortiert, die WC-Papiervorräte und das Wägelchen wieder aufgefüllt, Bestellungen und ein Foto von mir gemacht haben, verabschiede ich mich und gehe müde und etwas geschafft wieder nach Hause. Putzen kann schliesslich jeder, aber Reinigen will gelernt sein.

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Reinigungsdienst der Universität Zürich