Krieg der Philosophien. Michael Kühni

Aufstand der Zwerge

Am Philosophischen Seminar fordern Studierende die Professoren heraus: Sie wollen ein anderes Lehrangebot. Wird die Uni auf sie hören?

14. Februar 2009

Wenn eine Professur neu besetzt werden soll, kümmert das normalerweise kaum einen Studierenden. Mit etwas Glück lässt sich vielleicht einer überreden, in die Berufungskommission zu sitzen.

Anders bei den Philosophen. In den nächsten drei Jahren werden dort zwei Lehrstühle vakant. Die Suche nach den Nachfolgern sorgt für Zündstoff und böse Worte unter den Studierenden.

Unter ihnen hat sich vor einigen Monaten eine Lobby gebildet, die für «mehr Differenz» in der Lehre eintritt. Sie wirft den Dozierenden vor, dass sie einseitig die «analytische» Philosophie aus dem angelsächsischen Raum lehrten. Die «kontinentale» Philosophie, die Dekonstruktivisten, die Diskursanalytiker, die Marxisten kommen ihrer Meinung nach zu kurz. Deshalb sollen die neu zu besetzenden Lehrstühle Vertretern dieser Richtungen zugute kommen, forderten die Lobbyisten in einem Grundsatzpapier vom Oktober letzten Jahres.

Hitzige Diskussion

Kurze Zeit später formierte sich eine Gegenbewegung, die ebenfalls ein Manifest aufsetzte und sich provokativ für «weniger Differenz» aussprach. Die Mitglieder der Gruppe bezweifeln, dass die Kontinentalphilosophen wissenschaftlich arbeiten.

Zum ersten Schlagabtausch kam es am 4. November, als der Fachverein zur Vollversammlung einlud und über das Berufungsverfahren informieren wollte. Studierende und Assistierende beider Lager trugen ihre Positionen vor. Schnell entfachte sich die Debatte zur hitzigen Diskussion. Redner fielen sich ins Wort, immer mehr Studierende verliessen die Versammlung, die ins Chaos abzustürzen drohte.

Schliesslich fanden die Philosophen zur Vernunft zurück. Sie wählten eine Kommission aus Studierenden, die das Berufungsverfahren beobachten soll. Darin sind jedoch vorwiegend Freunde der Kontinentalphilosophie vertreten.

Inzwischen hat sich auch das «analytische Establishment», wie die aufmüpfigen Studierenden das Seminarkader bezeichnen, zu Wort gemeldet: Nur drei der sechs Lehrstühle seien mit Vertretern der analytischen Philosophie besetzt.

Wer hat das Sagen?

Analytiker gegen Kontinentalphilosophen: Auf den ersten Blick wirkt der Konflikt wie ein Grabenkampf, der oft entsteht wenn ein Lehrstuhl neu besetzt wird. Schaut man genauer hin, wirft die Diskussion aber eine Frage auf, die über die Seminargrenze hinausgeht: Wie weit dürfen die Studierenden mitreden?

Eine Umfrage am Seminar hat ergeben, dass eine Mehrheit der Studierenden mehr Kontinentalphilosophie in der Lehre will: Sie wollen Marx, Foucault und Sartre hören. Die Dozierenden dagegen sind mehrheitlich der Meinung, dass

dies nicht nötig sei. Manche von ihnen, so hört man, würden auch an der Relevanz und Wissenschaftlichkeit dieser Forscher zweifeln.

Entscheiden über die künftige Ausrichtung der Professuren wird die Kommission, die den sogenannten Strukturbericht verfasst. Im Gremium sitzt zwar nur eine Studentin. Ihre Stimme sollte aber besonderes Gewicht haben: Die Professorenschaft bekundet gerade in Berufungsfragen immer wieder, dass man die Anliegen der Studierenden ernst nehme und sie einbinden wolle. Der Konflikt am Philosophischen Seminar wird zeigen, wie ernst sie es damit tatsächlich meinen.

Links

Fachverein Philosophie Homepage der an der Vollversammlung gebildeten Kommission