Das in der Schweiz ausgegrabene Mammutskelett – eine beeindruckende Erscheinung. Lukas Messmer

Auge in Auge mit dem Mammut

Wo sich litauische Wisente, einheimische Rehe und Bären neben Saurierfossilien tummeln: Besuch im Zoologisch-Paläontologischen Museum der Uni Zürich.

24. November 2008

An der Uni gibt es einen Ort, an dem man sich Vogel- und Insektenstimmen anhören und ein Quiz über Muscheln und Korallen absolvieren kann. An dem einem das Fossil eines Dinosauriers zum Gruseln und die Grösse des Mammutskeletts zum Staunen bringt. An dem man sich Auge in Auge mit einer jungen Robbe wiederfindet und ein Riesenfaultier streicheln kann – das Zoologisch-Paläontologische Museum.

Wer von der Polybahn her den schnellsten Eingang ins Hauptgebäude sucht, entscheidet sich für den Nebeneingang zwischen Uni und ETH. Wer aber die Treppe verfehlt, kommt nicht weit und steht plötzlich der Nachbildung eines Riesenfaultiers gegenüber. Prominent steht der Liebling der Museumsbesucher am Eingang der Ausstellungshalle. Für die fellige Nachbildung wurden insgesamt 39 Schaffelle verwendet. Die im Untergeschoss ausgestellten Knochen hat der Forscher Santiago Roth 1885 in der Pampa von Argentinien ausgegraben. Fünf Jahre später haben die Vereinigten Naturwissenschaftlichen Sammlungen in Zürich das Skelett gekauft und später dem Museum überlassen.

Den Mittelpunkt der Ausstellung bilden aber die über 1500 ausgestopften Tiere. Ein thematischer Schwerpunkt des Museums ist nämlich die in der Schweiz herrschende Artenvielfalt. In der seit 1965 existierenden Paläontologischen Abteilung dreht sich ausserdem ein grosser Teil der Ausstellung um Knochen- und Spurenfunde von Dinosauriern in der Schweiz.

Die Horde Kindergärtner, die oft die Museumshallen unsicher macht und den restlichen Besuchern um die Beine flitzt, interessiert sich aber definitiv mehr für die ausgestopften Tiere als für die Skelette. Unter viel Geschrei machen sich die Kinder auf die Suche nach dem grössten und gefährlichsten Tier – das Mammut hat diesen Kontest zwar ziemlich sicher gewonnen, aber der Tiger steht auch hoch im Kurs. Knapp gefolgt vom Schwertwal, der hinter der Glasscheibe an Stahlseilen von der Decke hängt und mit seinem Stosszahn den Eisbären (ebenfalls ein heisser Kandidat) aufzuspiessen droht.

Aus Sammlerleidenschaft entstanden

Die aus Platzgründen nah beieinander angeordneten Ausstellungsstücke sind teilweise schon sehr alt. Die Ursprünge des Museums datieren nämlich bis ins Jahr 1629 zurück. Damals gründeten vier junge Zürcher zusammen mit ihrem Griechischlehrer in der Wasserkirche die Bürgerbibliothek. Diese war das erste öffentliche Naturalienmuseum der Stadt Zürich. Ausgestellt und gesammelt wurden allerlei Kunsterzeugnisse, Mineralien, Fossilien, Skelette, aber auch frühe astronomische Instrumente und Bücher. Die Sammler waren vor allem Mediziner und Apotheker, Kaufleute, Pfarrherren, Magistraten und Grundbesitzer. Ohne deren ausgeprägte und oft ausufernde Sammlerleidenschaft, die heute eher unwissenschaftlich anmutet, gäbe es nicht nur das Zoologisch-Paläontologische Museum, sondern auch viele andere Museen überhaupt nicht.

Die vielfältige Sammlung der Bürgerbibliothek wurde 1837 zusammen mit derjenigen der Naturforschenden Gesellschaft Zürich vom Kanton übernommen. Der vermachte sie der neu gegründeten Universität und 1914 zügelte das Museum in seiner heutigen Form ins KO2 der Universität Zürich.

Diese und andere Ausstellungsgeschichten lassen sich auf extra angefertigten Metalltafeln nachlesen. Sie befinden sich in Sitzbänken, die hölzernen Transportkisten nachempfunden sind und auf denen sich der ermattete Besucher ausruhen kann. Die Tafeln und Kisten gehörten zur Sonderausstellung, welche zum Jubiläum der Uni stattgefunden hat und sind bis heute geblieben. Für die Sonderausstellung wurden zahlreiche Exponate aus den in ganz Zürich verstreuten Lagerräumen geholt und die Geschichte des Museums von neuen Seiten beleuchtet. So wurden unter anderem für einmal auch Sammelbehälter oder Präparierflüssigkeiten ausgestellt und die abenteuerliche Reise des ausgestopften Löwen ins Museum nacherzählt. In einer anderen Ecke sind von orientalischer Architektur beeinflusste Schaukästen zu bewundern. Es handelt sich dabei aber nur um eine Nachbildung, das Modell wurde in dieser Form nie realisiert. Die darin ausgestellten exotischen Sammelstücke reichen von aufgespiessten Käfern, die in allen Grüntönen schillern, bis zu Vogelschnäbeln und erstaunlich grossen Muscheln.

Abwechslung zum öden Unialltag

Im Rahmen dieser Sonderausstellung ist unter der Leitung von Professorin Franziska Loetz und deren Assistentin Aline Steinbrecher ein Buch mit dem Titel «Geschichte und Geschichten des Zoologischen Museums der Uni Zürich» entstanden, welche auch die einzelnen Teile der Sonderaustellung dokumentiert und näher erläutert.

Den Kindern, die sich im museums-eigenen Kino gerade einen Film über Wale angesehen haben, ist das wohl egal. Und auch die beiden momentan arbeitsunfähigen Handwerker und eine Gruppe Ausländer auf Exkursion mit dem Deutschkurs haben an diesem gewöhnlichen Donnerstagnachmittag sichtlich Spass am Entdecken. Ein kurzer Ausflug zur Erholung in die Welt der Skelette und den ausgestopften Tiere lohnt sich an einem öden Unitag allemal.

Eintritt frei, Öffnungszeiten: Di–Fr: 9–17 Uhr, Sa–So: 10–16 Uhr

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