Ach du studierst Architektur?
Das heisst wohl schaffe, schaffe, Häusle baue?
Angefangen hat bei dir alles mit Holzklötzen, die du aufgetürmt hast und mit Legosteinen, die du, kreativ wie du bist, ohne Anleitung zusammengesetzt hast.Heute sehe ich dich schlaftrunken vor dem Hotel Schweizerhof auf den Bus warten, der dich zum Hönggerberg, deinem Götterhügel, bringt. Und dahin gehörst du auch, du gottähnliches Wesen. So siehst du dich zumindest, denn du erschaffst aus einer Idee etwas Manifestes. Ohne dich wären wir alle obdachlos, aber du machst deine Pläne nicht für andere, nein, du kannst nicht anders, du bist eine von innen getriebene Künstlernatur, ein kreativer Mensch, der sich der Funktionalität verschrieben hat.
Dein innerer Antrieb lässt dich Tag und Nacht denken, zeichnen, modellieren, und wenn du doch mal schlafen musst, verkriechst du dich in einer Nische deines Ateliers in den Schlafsack, lächelst und denkst an all die nichtsnutzigen Geisteswissenschaftler, die morgens um 10.00 Uhr am Fusse des Berges, in dem von dir gestalteten Lebensraum, den ersten Kaffee zu sich nehmen.
Du bist ein Herdentier, doch deine Sozialkompetenz beschränkt sich auf den Umgang mit deinesgleichen. Das verwundert nicht, denn wenn du dich mal an den Abstieg machst, gehst du nur schnell ins Hotel Mama, holst dir frisch gebügelte Hemden und lässt dich bekochen. Ausziehen kommt nicht infrage. Du würdest verhungern, weil dir die Zeit zur Nahrungsaufnahme fehlen würde.
Und bevor du dir nicht eine Inneneinrichtung von Arne Jacobsen leisten oder nachbauen kannst, willst du eh keine eigene Wohnung.
Design liegt dir sehr am Herzen, in deinem ästhetischen Schaffen spielt Energieeffizienz eine untergeordnete Rolle. Das unbezahlte Praktikum gehst du schliesslich mit viel Elan an, voller Stolz kopierst du Pläne für das kleine Architekturbüro im Kreis 5.
Doch wenn deine Zeit auf dem Berg abgelaufen ist und du in die Niederungen zurückkehrst, merkst du, dass dein Arbeitsplatz schon von einer FH-Absolventin besetzt ist.
Stimmts? Der Fachverein antwortet:
Jawohl, ich studiere Architektur.
Bereits bei der Studienwahl war mir klar, dass ich etwas studieren wollte, was später wirklich brauchbar ist und wo ich bereits im Studium mit der späteren Arbeit zusammenkomme. Alleine durch dieses Kriterium fiel der Rest der Studiengänge weg. So kommt es, dass ich jeden Tag den Weg auf den Hönggerberg (dass wir da sind, ist die Schuld des Rektorats) mache, aufmerksam die Umgebung studierend, denn jeder Blick bringt Lehrreiches mit sich. Durch diese Dauerpräsenz des Studiums fällt es uns leicht, nebensächliche Dinge wie Schlaf zu ignorieren.
Kein Wunder sind die restlichen Studierenden neidisch auf uns. Geprägt vom einsamen Arbeiten zu Hause verkraften sie es nicht, mit uns äusserst geselligen Architekturstudierenden zu verkehren, denn während wir bis spät in die Nacht im Plenum arbeiten, kommen Partys nie zu kurz. Wer es nicht glaubt, soll mal am Morgen die leeren Bierflaschen zwischen Modellen und Plänen zählen kommen.
Ausgezogen sind, entgegen dem Klischee, die meisten von uns. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass nach Mitternacht der Zug nach Bern oder Basel bereits weg ist. Darum wurden die WGs erfunden, die man sich mit einem Nichtarchitekturstudierenden teilt. Dieser macht die Einkäufe und putzt die Wohnung. Die WG wird von uns am wenigsten benutzt, da ist das nur fair.
Und zu guter Letzt brauchen wir uns auch um die Zukunft keine Sorgen zu machen. Neben der geistigen Ausbildung geniessen wir eine handwerkliche Lehre im Modellbauen. So haben wir auch später die besten Berufschancen und können in (fast) jede Branche einsteigen.
Denn ob Finanzkrise oder nicht, jeder braucht ein Dach über dem Kopf. Auch wenn alle Absolventen Jobs suchen und keinen finden, gewohnt wird immer. Und dann sind wir für euch da. Jederzeit und 24 Stunden am Tag!
Matthias Knuser, Präsident vom Fachverein der Architekturstudierenden