Duell: Intimrasur

«Ein Freund schuldet mir 340.– und findet immer Ausreden. Wie erhalte ich mein Geld zurück?». Hermann Hesse und Josef Stalin im Zwiegespräch:

Mirko Hofmann (Dafür) und Mirjam Sidler (Dagegen)
27. Oktober 2008

Dafür

Was unterscheidet den Menschen vom Affen? Richtig, die Körperbehaarung. Nun gut, es mag nicht der einzige Unterschied sein, aber er ist definitiv nicht unwesentlich. So sind wir froh, kein pelziges Fell durch heisse Sommertage tragen zu müssen, kein Geleeverbrauch von zwei Kilogramm pro Clubbesuch zu haben. Pickel auszudrücken ist auch viel einfacher, da man diese unter den vielen Haaren nicht finden würde. Und nun stellt sich die Frage, ob wir den Intimbereich dem haarigen Wildwuchs einfach so überlassen sollen. Es wäre doch gerade zu ironisch: Da geben wir hunderte, ja tausende von Franken im Jahr aus, um unsere Kopfhaare ins rechte Licht zu rücken und der Intimbereich soll ungeschoren davonkommen? Mittlerweile haben auch Männer den Vorteil rasierter Beine entdeckt, Achselhaare haben den Charme aus den 70er-Jahren verloren und am vierten Tag macht sich jeder über seinen Dreitagebart Gedanken.

Es ist also unausweichlich, dass wir uns gerade im Intimbereich ebenfalls pflegen und uns eine gute Frisur untenherum gönnen. Denn was in der Suppe stört, stört auch bei der oralen Befriedigung. Dem dürften wohl Frauen und Männer zustimmen. Wer sich im Intimbereich rasiert, tut vor allem dem Partner, sei es in einer ernsthaften Beziehung oder in einem wilden, leidenschaftlichen und ungehemmten One-Night-Stand, einen Gefallen.

Aber auch für sich selbst bringt eine Intimrasur Vorteile. Für Flöhe, Bakterien und andere unangenehme Juckreizauslöser gibt es keinen wirklichen Nährboden, womit man sich lästiges Kratzen während Präsentationen oder in sonstigen unpassenden Momenten ersparen kann. Es gibt nichts Peinlicheres, als im ungünstigsten Moment ein Juckgefühl zwischen den Beinen zu haben. Früher konnte man das Kratzen zwischen den Beinen noch als eigene Interpretation von Michael Jackson verkaufen, doch dieser Zug ist längst abgefahren.

Zudem kann das Rasieren des Intimbereichs eine entspannendes Ritual in der Dusche sein. Doch eine Bitte, an all jene, die in WGs wohnen: Unbedingt danach die Haare aus dem Ablauf entfernen, deine Mitbewohnerinnen und Mitbewohner werden es dir danken.

Dagegen

Spätestens seit Charlotte Roches Roman «Feuchtgebiete» wissen wir: Intimrasur ist lebensgefährlich! Selbst wenn man sich nicht absichtlich verletzen will, wie es Roches Hauptfigur tut, kann ich mir Angenehmeres als Rasierklingen vorstellen, um damit da unten rumzufummeln. Denn ist die Klinge einmal falsch angesetzt, helfen auch Tampons nichts mehr. Männer setzen sich der akuten Gefahr aus, sich aus Versehen etwas Wichtiges abzuschneiden.

Deshalb sage ich: Zurück zur Natur! Selbstverständlich sollte dieser Prozess in Mass vor sich gehen, vorsichtiges (!) Stutzen ab und zu liegt da durchaus im Bereich des Möglichen. Aber beim Gedanken an glatt rasierte Bienchen und Blümlein schnürt sich mir echt der Hals zu. Wer so etwas schön findet, ist doch pädophil! Und kommt mir jetzt nicht mit den Vorteilen, welche die Glattrasur bei einem Blowjob bietet – da hat man noch ganz anderes im Mund, wen stören da die paar Haare? Ausserdem ist ein radikaler Kahlschlag einfach nur langweilig. Alles liegt bereits ausgepackt da und die Vorfreude bleibt auf der Strecke. Wie beim Päckchenauspacken an Weihnachten, wenn man sich durch unzählige Papierschichten hindurchwühlt, um zum heiss ersehnten Schatz zu gelangen – die Vorfreude macht es aus. So ist es doch viel spannender, sich durch dichten Dschungel zu kämpfen, immer auf der Suche nach der seltenen Schlange, der geheimnisvollen Quelle, dem sagenhaften Vogelnest.

Ein weiteres Problem beim Rasieren: Glatt rasiert bedeutet sowieso nur für ein paar Stunden auch wirklich glatt. Alle Frauen und schon lange nicht mehr nur schwimmende oder velofahrende Männer wissen, dass die Gillette-Models lügen. Nach zwei Tagen fühlt man sich tatsächlich wie eine Göttin – wie eine Göttin der (Stoppel-)Felder! Die einzigen Alternativen zur Klinge sind Wachsen oder Epilieren. Dies sollte allerdings gut überdacht werden. Denn bis man wieder normal laufen, geschweige denn Sex geniessen kann, sind die Haare sowieso schon wieder nachgewachsen.

Wozu also der ewige Kampf gegen die Stoppelei? Ja, ich weiss schon. Unsere rasier- und verjüngungswütige Gesellschaft verlangt es und woher soll mann/frau beim ersten Date schon wissen, ob das neue Gegenüber rebellisch oder doch eher angepasst ist? Da gibts wohl nichts anderes, als sich vorsichtig anzutasten. Und seht es doch mal so: Frisch gewaschene Haare glänzen, verströmen einen verführerischen Duft und fühlen sich seidenweich an. Alle Haare.