Toyota Corolla E110 der achten Generation. Lukas Messmer

Daran hat kein Autoknacker Interesse

Die «Madonna» der Automobilgeschichte wurde millionenfach verkauft. Wem gehört wohl dieser weisse Toyota Corolla? Unsere Autorin schliesst vom Auto auf den Besitzer.

27. Oktober 2008

Dieser Wagen zieht keine Blicke an. Selbst Autoknackern fällt er als Letzter auf. Dabei steht hier ein Fahrzeugskonzept, das seinen Machern Ruhm, Ehre und volle Taschen beschert hat. Der Corolla ist sozusagen die «Madonna» der Automobilgeschichte, millionenfach verkauft und immer wieder neu erfunden. Nicht unbedingt schön, noch besonders ausgefeilt, nur eben unverwüstlich und massentauglich. Und genau wie die gealterte Pop-Ikone diente auch er als Vorlage für viele seiner Artgenossen. Ob Ford Focus, Honda Civic oder Mazda 3, für ein gutes Dutzend Konkurrenzprodukte stand er Vorbild. Kein Wunder konnte sich diese Modellreihe, die 1966 erstmals über die Produktionsstrassen lief, sage und schreibe zehn Generationen lang halten. Der japanische Entwicklungschef Takayasu Honda wurde angehalten, ein kostengünstiges, aber robustes Auto zu bauen, was ihm offenbar auch gelang.

Der Lenker dieses Fahrzeugs hat sich für die achte Generation entschieden. Sein E110 beheimatet den ersten Aluminium-Motor der Corolla-Reihe. Dies half, den Wagen auf knapp 1,24 Tonnen zu drücken. Mit dem 1,6-Liter-Benzinmotor wiehern etwa 110 Pferdestärken unter der Motorhaube, was keine grossen Sprünge erlaubt. Wer sich für einen Corolla-Kombi entscheidet, will sein Selbstvertrauen nicht mit Autobahn-Rennen demonstrieren. Seine Wahl verrät ihn als Pragmatiker. Hier fährt einer von A nach B, und das genug vorsichtig, um die Zierkappen seiner Felgen erstaunlich kratzfrei zu halten. Sein Motto lautet «Vorsicht ist besser als Nachsicht», deshalb lässt er auch keinen Service-Termin sausen. Solche Vorsicht im Alltäglichen legen für gewöhnlich Sprachwissenschaftler an den Tag.

Auflösung

Es stimmt: Ich bin Sprachwissenschaftler. Ob man dies jedoch wirklich an meinem – mittlerweile acht Jahre alten, regelmässig gewarteten – Toyota Corolla ablesen kann? Der Autor des obigen Autogramms (oder eine Autorin?) muss hellseherische Fähigkeiten haben!

Abgesehen von diesem einen Punkt kann ich mich mit dem Porträt durchaus identifizieren. Ich fahre gern, doch ist ein Auto für mich kein Statussymbol, sondern ein Mittel zum Zweck, nämlich bequem von A nach B zu gelangen. Toyotas gelten zudem als überaus zuverlässige Autos, was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Mit dem Auto komme ich gern zügig voran und ärgere mich deshalb über Staus und lange Wartezeiten vor Rotlichtern, träume aber nicht von «grossen Sprüngen» oder gar «Autobahn-Rennen». Es gibt im Leben interessantere und risikolosere Vergnügen, und mein «Selbstvertrauen» hat andere, solidere Wurzeln. Das Kompliment für die «erstaunlich kratzfreien» Zierkappen gebe ich gern an meine Frau weiter, die häufiger fährt als ich. Zur Arbeit im Rektorat gehe ich zu Fuss, und für die durch das Rektorat bedingten recht häufigen Fahrten in andere Schweizer Städte nehme ich die Bahn.

Andreas Fischer, Rektor der Universität Zürich