Kämpfte für sein Recht: Christian Elsasser. Samuel Thoma

«Als wäre ich ein Krimineller!»

Christian Elsasser buchte ein Modul und bestand die Prüfung. Anderthalb Jahre später wurde ihm die Leistung anerkannt. Dazwischen wurde er der Dokumentenfälschung bezichtigt und musste fast vor Gericht.

27. Oktober 2008

Wenn man jemandem nicht zutrauen würde, ein Modul vergessen zu buchen – dann Christian Elsasser. Wenn man jemandem nicht zutrauen würde, ein Dokument zu manipulieren – dann Christian Elsasser. Der Musterstudent schwänzt nicht, vergisst keine Besprechungen und schreibt nur Bestnoten. Umso absurder ist, was Christian Elsasser in den letzten anderthalb Jahren widerfahren ist. Er erlebte eine beschwerliche Odyssee durch die Instanzen des Uni-dschungels.

Am 2. Februar 2007 sass Christian Elsasser, 22, Physikstudent an der Uni mit Wirtschaft im Nebenfach, vor seinem Computer und buchte die Physik-Module für das kommende Semester. Zu seinem Erstaunen war auch das Buchungstool der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät bereits offen, obwohl man offiziell noch gar nicht buchen konnte. Also schrieb er sich ein für das Modul Makroökonomie I. Christian Elsasser ist ein pflichtbewusster Mensch. Er druckte sich einen Beleg der Buchung aus. Am 15. April, zwei Tage nach der offiziellen Buchungsfrist, vergewisserte er sich, dass das System seine Eingabe behalten hatte und machte nochmals einen Ausdruck, wo sein gebuchtes Modul ersichtlich ist.

«Widerstand aufgeben, bitte»

Das System aber nahm die Buchung wohl nicht auf – obwohl Christian Elsassers Bildschirm das Gegenteil anzeigte. Als er zum Ende des Semesters am 4. Juli seine Prüfung in Makroökonomie schreiben wollte, fehlte sein Name auf der Prüfungsliste. Der Assistent liess Elsasser das Examen schreiben, trug ihm aber auf, sich beim Dekanat zu melden und um die Anrechnung der Prüfung zu ersuchen. Gleich am nächsten Tag schrieb Elsasser das Gesuch, besuchte das Dekanat der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und zeigte den Ausdruck seiner Modulbuchung. «Die Sekretärin suggerierte mir erstmal, dass der Ausdruck gefälscht sei», sagt Elsasser.

Dann liess man sich im Dekanat geschlagene zwei Monate Zeit, das Gesuch verbindlich zu beantworten. Elsasser musste dazu mehrmals per Mail und Telefon auffordern. Das Dekanat zögerte die Antworten hinaus und beschuldigte ihn immer wieder, den Ausdruck gefälscht zu haben: «Ich gehe davon aus, dass das Dokument verändert wurde», mailte ihm Alex Angehrn, Geschäftsführer des Dekanats der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, am 10. Juli. «Mir wurde der Eindruck vermittelt, dass ich ein Dokumentenfälscher sei, ein Krimineller», ärgert sich Elsasser. Ausserdem habe man ihm geraten, den Widerstand aufzugeben und das Modul doch einfach zu wiederholen. Schliesslich lehnte das Dekanat das Gesuch am 5. Oktober ab.

Rekurs gegen den Rekurs

Elsasser gab nicht nach. Er legte am 21. Oktober 2007 Rekurs ein. Die Rekurskommission der Zürcher Hochschulen, eine unabhängige Instanz der Bildungsdirektion, gab Elsasser am 15. Mai 2008 Recht. Dabei entscheidet sie nur in den wenigsten Fällen zugunsten der Studierenden. Sie schenkte Elsassers plausiblen Ausführungen mehr Glauben als jenen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, die nur dahingehend argumentierte, dass Elsasser nicht zu früh, sondern gar nicht gebucht und den Ausdruck gefälscht habe. Die Rekurskommission entgegnete: «Bei einer Manipulation wäre wohl ein Datum innerhalb der Buchungsfrist benutzt worden.»

Ein Monat lang geschah nichts. Und dann passierte etwas Unglaubliches: Am 27. Juni mailte Dekanats-Geschäftsführer Alex Angehrn Elsasser, dass der Eintrag des Moduls bald erfolge, kurz darauf wurde es angerechnet. Am selben Tag formulierte der Dekan Hans Peter Wehrli eine unsorgfältige Beschwerde an das Verwaltungsgericht Zürich (statt Christian schrieb er Christina Elsasser) und beantragte, den Entscheid der Rekurskommission aufzuheben. So etwas habe es noch nie gegeben, heisst es dort. Wehrli schrieb: «Stützt die Rekurskommission solches Verhalten, kann dies unseren Studienbetrieb erheblich beeinträchtigen oder gar komplett lahm legen.» Im Klartext: Studierende, die ein Modul buchen, das aber ohne ihr Wissen nicht im System erfasst wird, dürfen vor der Rekurskommission nicht zu ihrem Recht kommen. Sonst müsste man sich noch ernsthaft um Fehler im Buchungssystem kümmern.

«Will Studiernde ermutigen»

«Von da an konnte ich nur noch darüber lachen», sagt Christian Elsasser. Auch der Verantwortliche der Rekurskommission habe den Kopf geschüttelt. Irgendwann wurde es wohl auch der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zu peinlich. Am 1. September zog sie die Beschwerde zurück. Elsasser hatte gewonnen. Anderthalb Jahre nachdem er die Prüfung geschrieben hatte. Heute ist für ihn die Sache erledigt. «Es geht mir nicht um Rache», sagt er, «ich will andere Studierende ermutigen, für ihr Recht einzustehen und sich nicht einschüchtern zu lassen.»

Die Universität und die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät weichen aus zum Fall Elsasser. Einen ausführlichen Fragekatalog beantworten sie mit einer dünnen Stellungnahme. Es sei ein Einzelfall: «Das Resultat des von Ihnen angesprochenen Falles fiel im Sinne des Studierenden aus. Demzufolge ist aus unserer Sicht die Sache inzwischen zu aller Zufriedenheit erledigt», schreibt Sven Akeret vom Uni-Rechtsdienst.

Keine Aufregung also, bitteschön. Um die Sache zu aller Zufriedenheit erledigt zu haben, musste Christian Elsasser ja nur etwas warten und ein paar Mails und Eingaben schreiben. Er wurde als Dokumentenfälscher verdächtigt und musste um ein Haar an einer Gerichtsverhandlung erscheinen. Das Verhalten der Dekanatsleitung, dieses Gefühl hat Elsasser genauso beschlichen wie die ZS, vermittelt den Eindruck, als habe sie ein Exempel statuieren wollen. Als wolle sie Studierende davon abhalten, bei Buchungsfehlern auf ihr Recht zu pochen. «Ich könnte mir gut vorstellen, dass es noch mehr solche Fälle gibt», mutmasst Elsasser.

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