Wo findet man oder frau neue Freunde? Lukas Messmer

Studieren macht einsam und krank

Dieses Herbstsemester strömt wieder rund 245’000 Kilogramm junges Studierendenfrischfleisch von den Kantis oder Gymis in die Hörsäle. Studien ergeben, dass dieser Übertritt krank macht. Grund: Einsamkeit.

15. September 2008

Der Beginn des Studiums beinhaltet einen Statusübergang vom Schüler zum Studierenden, vom Jugendlichen zum Erwachsenen. Ein grosser Teil der Erstsemestrigen zieht zum ersten Mal von zu Hause weg. Neue Stadt, erstmals Uni, neues Leben. Zum ersten Mal weg von der behüteten Klasse, mit Klassenlehrer, Strichliste und Klassengeist. Das kann ziemlich belastend sein.

Studium als Krankheitserreger

Studien des psychologischen Instituts in Zusammenarbeit mit der Psychologischen Beratungsstelle für Studierende haben ergeben, dass Studieren tatsächlich krank macht. Und dies insbesondere in der Übergangsphase. «Misslingt» einem Studierenden ein einwandfreier Übergang, so treten als Folge nicht selten psychische Störungen und körperliche Erkrankungen auf. Soziale Kontakte zu Mitstudierenden seien die bedeutsamste Ressource. Doch wie kommt man zu solchen Kontakten? Früher war das ja einfach, da wurde man in eine Schulklasse gesetzt und nach einigen Jahren hatte man dann seine Gschpänlis. An der Uni sieht das etwas anders aus. Auf dem Weg zur Vorlesung hört jeder seine Musik, während der Vorlesung hört man – zu Beginn jedenfalls – noch dem Dozierenden gespannt zu und nach der Vorlesung scheint es ein physikalisches Gesetz zu sein, dass sich die Studierendenmasse, die sich noch vor wenigen Sekunden in einem Raum befunden hat, sich einfach in den Gängen verflüchtigt. Wo also Leute kennen lernen?

Vereine vereinen

Die Schweiz gehört weltweit zu den Spitzenreitern bezüglich der Anzahl Vereine pro Person. An den Schweizer Universitäten konzentrieren sich solche Organisationen. Vielleicht lernt man ja Leute mit gleichen Interessen in solchen Vereinen kennen. Schaut man sich nur schon die Liste der studentischen Organisationen der Uni Zürich an, bekommt man vor lauter Abkürzungen leicht Schwindelgefühle: Die Palette reicht von A wie «Akademische Aviatikgruppe Zürich, für Interessenten und Begeisterte aller fliegerischen Sportarten» (kurz AAGZ) bis Z wie «zart & heftig – Schwules Hochschulforum Zürich». Wer Einblicke ins politische Getümmel erhalten will, schliesst sich am besten einem Fachverein an und versucht vielleicht über den StuRa Einfluss aufs studentische Leben zu nehmen.

Soziale Kontakte Online

Eine kleine, nicht repräsentative Umfrage in meinem Umfeld ergab, dass in Seminaren, in denen Gruppenarbeiten verfasst werden, eine grosse Wahrscheinlichkeit besteht, starke soziale Kontakte zu knüpfen. Hier scheinen in einem Mikrokosmos solche Klassenstrukturen, wie wir sie vom «Gymer» kennen, noch zu existieren. Gruppen werden wild zusammengewürfelt und die gemeinsame Arbeit an einem Projekt macht es möglich, Personen besser kennen zu lernen.

Mit der zweiten Internetrevolution haben sich aber wieder neue Kommunikationsmöglichkeiten entwickelt. Die interuniversitäre Vernetzung, wie sie StudiVZ bietet, reicht nicht mehr aus. Heute muss man global auch mit Nicht- oder Nicht-mehr-Studierenden vernetzt sein – Facebook machts möglich. Bekanntschaften sollen nicht mehr dem Zufall überlassen werden. Das Schicksal soll selbst in die Hand genommen werden, so die Devise. Sucht also durch Freunde die Freunde von Freunden mit gleichen Interessen (oder mit einem hübschen Profil-Bildli) und macht euch neue Freunde, die ihr dann über all eure neuen Freunde informieren könnt.

Es wird alles gut

Keine Angst, liebe Erstsemestrige, ihr werdet also genug Möglichkeiten haben, Leute kennen zu lernen, damit ihr auch schön gesund bleibt. Wem aber all die Vereine, organisierten Organisationen oder virtuellen Gemeinschaften zu viel sind, nimmt einfach in die nächste Vorlesung keinen Stift mit, fragt den Banknachbarn um Schreibzeugs und geht anschliessend mit ihm auf ein Bier ins bQm unter der Polyterrasse.