Kompromissloses Engagement für die GIFT: Tiziano Cerrone. PD

Die verlorene Ehre des Tiziano Cerrone

Die Fachschaft der Germanistik-Studierenden hat turbulente Zeiten hinter sich. Vom Versuch eines Mannes, etwas zu verändern – koste es, was es wolle.

15. September 2008

Diese Geschichte kennt keine Schuld, sondern nur Verbitterung. In dieser Geschichte gibt es keine bösen Absichten, sondern nur Missverständnisse. Es gibt wenige Fakten und viele Anschuldigungen. Wie das so oft der Fall ist, wenn sich jemand mit Herzblut engagiert – und dafür auch die Macht in seinen Händen halten will.

Die Geschichte beginnt mit dem Eintritt von Tiziano Cerrone in die Fachschaft der Germanistikstudierenden. Sie nennt sich GIFT. Und davon wird einiges geflossen sein, bis der Unglückliche diesen Sommer verbittert den Bettel hinschmeisst.

Tiziano Cerrone, der Musterstudent

Germanistikstudent Tiziano Cerrone ist eine schillernde Figur am Deutschen Seminar. Er gehört zu jener Sorte Menschen, die einen Grossteil ihrer Zeit damit verbringen, Projekte anzureissen. Cerrone ist engagierter Student, schreibt gerade sein Lizenziat, ist Spielleiter in einem Tennisclub. Man könnte meinen, er lebe konstant auf Speed, frotzeln Mitstudierende. Lernen in der Bibliothek ist schwierig, wenn Cerrone daneben sitzt. Ständig steht er auf, holt sich ein neues Buch, will mehr wissen. Er ist belesen, leitet viele Tutorate, ein Musterstudent. Diskussionen in Seminaren, in denen Cerrone teilnimmt, gleichen oft einem Ping-Pong-Spiel zwischen ihm und dem Professor. Die anderen schauen bloss noch zu.

Man würde ihn für einen Dozenten halten, wäre da nicht sein Äusseres. Tattoos prangen an den Armen. An den Ohren hängen Ringe, vier an der Zahl. Im Gesicht wächst ein Vollbart. Hinter der dickrandigen Brille stechen zwei entschlossene Augen hervor, die wissen, was sie wollen.

«Entweder ihr oder ich!»

Und dieser Tiziano Cerrone tritt 2006 in die GIFT ein. Deren Vorstand schlingert zu dieser Zeit in einem Tief: Die Studierenden zeigen wenig Interesse an der Arbeit ihrer Vertretung, die die GIFT eigentlich sein sollte. Der Vorstand resigniert, gibt sich keine grosse Mühe mehr. Nicht so Tiziano Cerrone. Im Frühling 2007 wird er Präsident der Fachschaft. Voller Elan stürzt er sich in die Arbeit, will die Fachschaft umkrempeln.

Wer mitmacht, soll auch arbeiten, findet er. Sein Enthusiasmus findet wenig Widerhall, der Vorstand fühlt sich von Cerrone überrumpelt. Cerrone ist keiner, der Konflikte scheut, eher einer, der sie auslöst. Er nennt seine Vorstandskollegen und -kolleginnen «faule Säcke», arbeitet selbst immer mehr, zieht sein Ding durch. Irgendwann platzt ihm der Kragen: «Entweder ihr oder ich!», fordert er das Vorstandskollegium auf. Diese scheuen den offenen Konflikt und ziehen sich einer nach dem anderen entnervt zurück.

Im Frühling dieses Jahres liegt die GIFT nun alleine in den Händen von Cerrone. Dieser zögert keine Sekunde die Möglichkeiten zu nutzen, die diese Situation mit sich bringt.

Die GIFT als Ein-Mann-Betrieb

Er funktioniert das GIFT-Büro im Deutschen Seminar zu seinem persönlichen Zimmer um, hängt Trikots der italienischen Fussballelf auf, klebt Poster an die Wand. Und er schliesst das Zimmer ab, das eigentlich der Studierendenschaft gehört. Offen ist es nur, wenn er da ist.

Ähnlich verfährt er mit dem Vereinskonto, aber nicht etwa in eigennütziger Absicht. Cerrone will die Fachschaft den Studierenden wieder näher bringen. Er macht Werbung, lässt Flyer drucken, bringt Ordnung in das Lernmaterial, welches die GIFT den Studierenden zur Verfügung stellt. Sein grösstes Vorhaben ist die EM-Bar: Während des Fussballfestes können die Germanistik-Studierenden die Spiele an der GIFT-Bar in ihrem Seminar verfolgen. Doch sie wird schlecht besucht; zu lange hat die Fachschaft nichts mehr von sich hören lassen.

Kontostand im Sinkflug

Aufbauarbeit ist schwierig. Und sie kostet. So hebt Cerrone bis Mitte Jahr in mehreren Tranchen rund 8000 Franken ab, um die Veranstaltungen zu finanzieren. 5000 Franken habe er ausgegeben, sagt er. Die restlichen 3000 Franken habe er bar in der Vereinskasse deponiert.Seine rege Ausgabetätigkeit bleibt nicht unbemerkt, die Auszüge des Vereinskontos erhält immer noch eine ehemalige GIFT-Präsidentin. Und so blicken die zurückgetretenen Vorstandsmitglieder im Mai auf den Kontostand und runzeln die Stirn. Sie haben keine Ahnung, für was Cerrone all das Geld verwendet hat. Nun kehrt die Energie zurück, die sie im Vorstand nicht gezeigt haben. Sie wollen Klarheit, sie wollen keine GIFT als Ein-Mann-Betrieb.

Thronsturz statt Grillfest

Ihre Retourkutsche folgt am 28. Mai. An diesem Datum organisiert Tiziano Cerrone eine Vollversammlung der GIFT, bezeichnenderweise die erste seit Jahren. Dafür geht die Post ab. Die rund 40 Besucher besetzen auch noch die letzten Plätze im Seminarraum SOE-E-2. Cerrone will zügig durch die Traktanden führen. Danach hat er für die Teilnehmenden nämlich noch ein Grillfest geplant.

Drohung mit der Polizei

Doch die Sitzung nimmt einen anderen Lauf. Tage zuvor flitzte nämlich eine konspirative Email des ex-Vorstands an die Germanistikstudierenden und forderte zum Kommen an die Vollversammlung auf: «Dort möchte der ehemalige Vorstand der GIFT den momentanen Präsidenten, Tiziano Cerrone, abwählen und durch eine Gegenkandidatin ersetzen.» Die Luft an der Versammlung ist dick. Carol Ribi, ehemalige GIFT-Präsidentin, meldet sich zu Wort und verlangt von Cerrone Rechenschaft und Quittungen für seine Ausgaben. Cerrone reagiert nicht auf den Antrag, Ribi übernimmt die Sitzungsleitung. Die beiden haben einen bösen Mailwechsel hinter sich: Ribi drohte mit Polizei, wenn er keine Belege für seine Ausgaben herausrücke. Cerrone drohte darauf mit einer Klage wegen Verleumdung, sollte Ribi das tun.

Richtiges falsch angepackt

Doch dazu kommt es nicht. Der alte Vorstand ist zurück und lässt sich von der mobilisierten Vollversammlung wieder einsetzen. Er verlangt von Cerrone, an der nächsten Sitzung eine korrekte Abrechnung mit seinen Ausgaben vorzulegen. Zwei Wochen später übergibt Cerrone dem Vorstand an der zweiten Sitzung die Belege für seine Ausgaben. Nach einigen Minuten verlässt er verbittert den Saal. Mit der GIFT hat er abgeschlossen.

Tiziano Cerrone habe es nicht böse gemeint, hört man immer wieder. Er wollte das Richtige, aber machte es falsch. Er wollte der GIFT Leben einhauchen, doch entfachte einen Sturm der Entrüstung. Jetzt reden beide Seiten nicht mehr miteinander. Und Cerrone steht in den Augen mancher als Befehlsgeber und Abzocker da.

Diese Geschichte kennt keine Schuld. Nur ein bitteres Ende.