Ferienstimmung auf Guadeloupe. Wikimedia Commons

Brief aus Guadeloupe

Alle Rucksackreisenden haben ihn dabei, den Lonely Planet. Doch der Reiseführer wird zunehmend ein Opfer des eigenen Erfolgs und zerstört seine Ideale.

15. September 2008

«Kikeriki» lärmt der Hahn vor meinem Appartement. Es ist luftig frisch draussen. Frisch, das bedeutet auf Guada, wie die hiesigen Insulaner ihre Heimat nennen, knapp 25° C. Ich liege auf meinem Sofa und warte darauf, dass ich wieder zu Kräften komme. Gestern Abend hatte ich Fieber, jedoch nicht Dengue, dafür war es dann doch zu harmlos. Jedenfalls liess ich die Schule heute ausfallen. Es ist 13 Uhr. Heute ist der bisher kühlste Tag. Es gibt hier in der Regel nur Sonnenschein, begleitet von kurzen Schauern. Ideale Bedingungen, um sich am palmenbedeckten Strand zu erholen oder im angenehm warmen Meer zu baden.

«Kikeriki» lärmte der Hahn in der Nacht nach meiner Ankunft auf Guada, der Schmetterlingsinsel, ihrer Form und nicht der zoologischen Gegebenheiten wegen so genannt. Es war wie immer warm und die Frösche pfiffen lauthals um die Wette – sie quaken hier nicht. Trotzdem konnte ich schlafen.

«Kikeriki» lärmte der Hahn auch in der zweiten Nacht und einer seiner Konkurrenten tat es ihm aus der Ferne gleich. Sie wechselten sich in regelmässigen Abständen ab, wie beim Tennis. So lange, bis einer der beiden Quälgeister einen Hund weckte und dieser wie verrückt zu bellen begann.

«Kikeriki» lärmte der Hahn vor meinem Appartement – keine Antwort. Er versuchte es nochmals, doch der andere blieb stumm. Danach trat Ruhe ein. Ich war froh darüber, hatte ich doch einen anstrengenden Tag hinter mir. Mit gemietetem Auto erkundeten wir Basse-Terre. Es war ein schöner, ereignisreicher Ausflug. Die Wasserfälle konnten unsere Erwartungen zwar nicht erfüllen, dafür war unser Marsch am Fusse des Vulkans gleichermassen abwechslungsreich wie erfrischend.

Basse-Terre ist der südwestliche Flügel der Insel. Es ist ruhig hier. Stress wie in Zürich scheint es keinen zu geben. Doch im Supermarkt drängen sich die Einheimischen dann doch gerne vor. Und die Hähne krähen zu jeder erdenklichen Tages- und Nachtzeit. Wann sie schlafen, weiss keiner. «Kikeriki». Ich schliesse das Fenster, lege mich wieder hin und freue mich auf die Zeit, die mir hier noch bleibt.