Der VW-Bus hat eine miese Umweltbilanz. Florian Frey

Naturverbundene CO2-Sünder

Mit unseren Reisen und der Ausrüstung aus hoch giftigen Stoffen verursachen wir immense CO2-Ausstösse. Eine kritische Betrachtung meiner Passion, dem Surfen.

10. April 2008

1000 Kilometer liegen zwischen der Schweiz und Südfrankreichs Atlantikküste. Ein Kleinbus stösst auf dieser Strecke rund 0,4 Tonnen CO2 aus. Tatsächlich sind es wohl etwas mehr. Denn das bevorzugte Gefährt eines Surfers ist ein alter VW-Bus, der mangels Katalysator und aufgrund seines Alters noch dreckiger unterwegs ist.

Dabei war ich mir lange sicher, mit Surfen einen naturnahen Sport zu betreiben. Ohne motorisierten Zusatz nutze ich naturgeschaffene Wellen, um mich während Stunden zu vergnügen. Andere Menschen lassen ihr Wakeboard von einem Motorboot ziehen oder fahren ohne tieferen Grund tausende von Kilometern auf ihren Motorrädern durch die Gegend. Als ob sie einen zweiten Planeten Erde im Keller hätten, verpesten sie die Luft und belasten das überstrapazierte Klima weiter.

Schlechtes Gewissen kompensieren

Lege ich die Strecke von Zürich nach Biarritz im Flugzeug zurück, so würde ich über einen halben Tag Zeit gewinnen und müsste nur 0,2 Tonnen CO2 verantworten. Dann mit dem Zug oder einem kleinen, sauberen Mietauto zum Zeltplatz, und mein ökologischer Fussabdruck sähe schon bedeutend besser aus. Aber mit dieser zweiten Option würde ich die wichtigste Eigenheit des Surfens opfern: die Freiheit, dann dort zu sein, wo ich gerade will und wo die Welle am besten bricht.

Dieser Individualismus ist so eng mit dem Wellenreiten verknüpft, dass man grosszügig über dessen umwelt-verschmutzende Konsequenz hinweg schaut. Das allfällige schlechte Gewissen kompensiere ich in Form von bezahlten CO2-Kontingenten. Projekte wie «Myclimate» berechnen meinen Anteil am CO2-Schlamassel. Meine Reise nach Südfrankreich in besagtem Surfermobil kostet mich 47 Franken extra, wenn damit mindestens zur Hälfte Klimaprojekte in der Schweiz finanziert werden.Wunderbar!

Giftige Angelegenheit

Doch einmal mit dem Gedanken Umweltbelastung konfrontiert, betrachte ich mein liebstes Stück, das Surfboard, plötzlich misstrauisch. Dieses wird aus giftigen Stoffen wie Polyurethan (PU) und mit Polyester verleimten Fiberglas-Matten hergestellt. Der PU-Schaum, aus welchem die Bretter gehobelt werden, entsteht unter Zuführen von Treibhausgasen und basieren auf Erdöl oder Zuckerrüben. Ein Teil der Szene wird sich nun der unheimlichen Öko-Bilanz der Brettproduktion bewusst. In der Folge gilt wie in der Baubranche die Bambusfaser als DAS Material der Zukunft: natürlich und mit idealen Eigenschaften versehen.

Mir wird noch schwindliger, als ich realisiere, dass ich für den kalten Atlantik den ebenso auf chemischen Stoffen basierenden Neopren-Anzug brauchen werde. Doch die Faszination des Surfens ist zu gross – und die eigene Konsequenz wohl zu klein, als dass mich die traurige Umwelt-Bilanz davon abbringen würde. Stattdessen sammle ich am Strand leere Petflaschen und anderen Müll ein und kaufe mein Essen beim Bauern auf dem Land.