Cider aus London

Auf der ganzen Welt zuhause: Studierende auf Reisen schrieben der ZS, wo sie sich gerade rumtreiben und was sie dort machen.

10. April 2008

Jetzt bin ich schon drei Monate Erasmus-Versuchskaninchen in London – Zürcher Germanistikstudierende gabs hier noch nicht. Meine erste Herausforderung war die Wohnungssuche. Die ist hier wie Lotto spielen – Hauptgewinn in Form eines bezahlbaren Zimmers in einer nicht zu dreckigen Wohnung, wenn möglich kein «box room» (6 qm). Den ersten Monat hatte ich kein Wasser an den Wochenenden. Zuhause haben sich alle gefragt, ob ich in der richtigen Stadt gelandet sei. Kann das die Weltstadt sein, von der alle nach einem Wochenendtrip schwärmen? Rückstand und Fortschritt treffen hier in krassester Weise aufeinander: Die gläsernen Türme der Canary Wharf auf der einen, die ärmlichen Wohnblöcke auf der anderen Seite. Harrods und Oxford Street im einen, asiatische Grossmärkte und Schwarzhandel im anderen Viertel. Verschiedenste Kulturen und Kontraste haben mich anfangs begeistert und erschreckt. Täglich steht man vor hundert Möglichkeiten seinen Aufenthalt hier zu gestalten: London ist mehr ein Land, ja ein Kontinent, als eine Stadt. Nach meinem zweiten Umzug wohne ich nun glücklich fünf Minuten von der Themse – mein Ruhepol im hektischen Stadttrubel. Als Studentin bewege ich mich zum Glück an der Rush Hour vorbei. Jeder will möglichst rasch an sein Ziel, doch niemand hats in der Hand, kann sich nur in die Menschenschlangen einreihen und darauf hoffen, dass die Tube funktioniert. Zum Glück gibts für den ganzen angestauten Grossstadtstress ein wirkungsvolles Ventil: Pubs. Wenn ich hinter einem Pint Cider sitze und die Leute um mich herum beobachte – vom Banker über den Punk bis hin zum Marylin Monroe Double ist alles vertreten und nichts unmöglich − ist die Welt wieder in Ordnung und London die coolste Stadt der Welt.

*Alicia Solis studiert Germanistik und Anglistik in Zürich und befindet sich im Erasmus-Semester in London.