Er geht, sie kommt: Stefan Fischer, Sylvie Michel. Lukas Messmer

Fischers Abgang – von langer Hand geplant

Was die Parlamentarier schaffen, können unsere StuRätInnen schon lange. Nämlich Geheimpläne schmieden und ungeliebte Machthaber absetzen.

7. April 2008

Und was das Schweizer Fernsehen schafft, können wir von der ZS natürlich auch schon lange. Die Palastrevolution minutiös nachrecherchieren nämlich. Dies ist die Geschichte des Untergangs von StuRa-Präsident Stefan Fischer, der Ende April sein Amt niederlegt.

Putsch-Regel Nummer 1: Palastrevolutionen haben einen Grund. Am Anfang steht das Ärgernis.

Stefan Fischer ist ein Mensch, der gerne provoziert. Das bewegt ihn vielleicht dazu, am 18. Dezember 2007 dem Tages-Anzeiger ein Interview zu geben. Kurz zuvor hat die Uni acht deutsche Professoren berufen. Fischer sagt, man erreiche «die Grenze des Erträglichen» und warnt vor einer «Germanisierung» der Uni. Ein Sturm der Entrüstung bricht los, das Thema wird kurz zum Politikum. Fischer erhält böse Mails aus dem StuRa, gerade auch aus der eigenen Fraktion KriPo. Auch die anderen grossen Fraktionen, die Skalp und die Fachvereine, sind alles andere als begeistert und distanzieren sich. Das StuRa-Büro, die Exekutive des Rates, erarbeitet einen Leitfaden zur Medienarbeit. Künftig sollen mindestens zwei Büromitglieder die Aussagen prüfen, die vom StuRa an die Öffentlichkeit gelangen. Als sich die Wogen langsam glätten, gibt Stefan Fischer noch einen drauf. In einem Streitgespräch in der ZS bekräftigt er seinen Standpunkt. Das Büro fühlt sich hintergangen, im StuRa brodelt es. Führende Mitglieder in der Skalp und bei den Fachvereinen kommen zum Schluss: Fischer muss weg.

Putsch-Regel Nummer 2: Das Opfer muss bereits geschwächt sein, gefestigte Machthaber meistern auch grössere Skandale.

Der StuRa wählt Stefan Fischer im Dezember 2006 zum neuen Präsidenten. Fischer gilt als guter Organisator und harter Arbeiter. Seine Dossierkenntnisse sind überragend. Oft sitzt er noch spätabends im StuRa-Büro an der Rämistrasse 62. Doch Fischer eckt mit seiner Art nach und nach bei immer mehr Leuten an. Einem Journalisten, der über den StuRa berichtet und ein Detail vergessen hat, antwortet Fischer schon mal mit einem schroffen Mail: «Ich bin sehr enttäuscht von dir.» Auch gegenüber Kontaktpersonen an der Uni schlägt er bisweilen einen groben Ton an. Einige Male müssen die Büromitglieder sich bei offiziellen Uni-Stellen für Fischers Ausdrucksweise entschuldigen. Fischer delegiert wenig und informiert kaum. Macht ist etwas, das er nicht gerne teilt. Sein Ansehen im StuRa schwindet. 2007 wird er vor allem deshalb wieder gewählt, weil er der einzige valable Kandidat ist. Unbeliebt macht sich Fischer auch in der eigenen Fraktion, der linken KriPo. In einem Mail soll er geschrieben haben, dass Gewerkschaften schädlicher seien als die SVP. Im Unijournal lobt er Roger Köppel. Als Stefan Fischer das ZS-Interview gibt, hat er sich im StuRa schon viele Feinde geschaffen.

Putsch-Regel Nummer 3: Suche Verbündete und schmiede den Plan.

Kurz nach Erscheinen der ZS am 22. Februar hält die Skalp ein Treffen ab. Von der Sitzung existiert kein Protokoll. Dort wird der Beschluss gefasst, Fischer abzusägen. Skalp-Mitglied Sophia Arnold nimmt Kontakt zu Christian Hagen von den Fachvereinen auf. Der Vorschlag stösst auf offene Ohren. Man will Fischer an der nächsten Stura-Sitzung am 27. Februar absetzen. Die beiden Fraktionen Skalp und Fachvereine haben im Rat eine komfortable Mehrheit. Mitglieder der Stura-Geschäftsprüfungskommission werden angefragt, ob die Geschäftsordnung eine Abwahl vorsieht. Denn zu einer solchen Situation ist es noch nie gekommen. Eine Abwahl ist nicht möglich, zeigt sich. Ein GPK-Mitglied rät, ein Misstrauensvotum zu stellen, das würde Fischer de facto zum Rücktritt zwingen. Die fünf bis sechs führenden Leute in der Sache aus der Skalp und den Fachvereinen finden sich zu einem ersten Treffen zusammen und besprechen den Ablauf der nächsten StuRa-Sitzung.

Putsch-Regel Nummer 4: Die Nachfolge muss geregelt sein.

Café Myplace am Kunsthaus, wenige Tage vor der Sitzung: Jetzt muss die Nachfolge von Stefan Fischer geklärt werden. In den grellen Designermöbeln fläzen sich Sophia Arnold, Julian Florineth und Gian Autenrieth von der Skalp sowie Adrian Kobler von den Fachvereinen. Autenrieth ist Fischers Vorgänger und der «Elder Statesman» im StuRa. Er erklärt Florineth und Kobler, die beide auf das Amt aspirieren, was sie erwartet. Die Frage der Nachfolge spaltet die Konspiratoren entlang der Fraktionsgrenzen, beide wollen unbedingt ihren Kandidaten portieren. Die Fachvereine schlagen ein Co-Präsidium mit Florineth und Kobler vor, doch die Skalp lehnt ab. Die Regelung der Nachfolge ist gescheitert.

Putsch-Regel Nummer 5: Passe dich dem Lauf der Dinge an

Café bQm, 27. Februar, wenige Stunden vor der StuRa-Sitzung: Gian Autenrieth trifft sich mit Skalp-Mitgliedern. Er fürchtet, dass es in der Sitzung zu einem Eclat kommt, weil über die Nachfolge keine Klarheit herrscht. Autenrieth will Fischer auch die Chance geben, selbst zurückzutreten. Er kann seine Fraktionskollegen überzeugen und informiert die Fachvereine. Die Skalp-Mitglieder Mirjam Witzemann und Silvia Gallego machen sich auf ins StuRa-Büro und stellen Stefan Fischer vor die Wahl. Erst am späten Nachmittag entscheidet er sich. In der Fraktionssitzung der KriPo kündigt er seinen Rücktritt an und informiert weitere StuRätInnen. In der unteren Mensa, wo die Fraktionen vor der Sitzung essen, geht die Nachricht um. Als Fischer zu Beginn der Sitzung abdankt, wissen es die meisten bereits. Seine Nachfolge soll an der nächsten Stura-Sitzung am 9. April bestimmt werden.

Epilog

Entgegen allen Erwartungen kandidieren weder Julian Florineth noch Adrian Kobler für das Amt. Einzige Bewerberin und damit nächste Stura-Präsidentin ist die 26-jährige Sylvie Michel, gestandene SP-Jungpolitikerin und KriPo-Mitglied. Und Stefan Fischer? Vielleicht startet seine Karriere jetzt erst richtig. Gerüchten zufolge soll er sich um ein Co-Präsidium beim Verband der Schweizer Studierendenschaften bewerben. Und zum Schluss noch die Putsch-Regel Nummer 6: Hülle dich auch nach erfolgreichem Umsturz in Schweigen. Liebe StuRätInnen, danke dass ihr es nicht gemacht habt.