Paris se bat!

Devastations, 2007.

11. März 2008

Im Land der grossen Denker wird immer wieder gestreikt. In Paris finden zurzeit gerade zwei grosse Bewegungen statt. Wie aber weiss man, ob sich der Aufwand lohnt? Kosten-Nutzen-Kalküle auch in der Widerstandsbewegung?

Unterirdisch steht der Verkehr. Oberirdisch Chaos. Die Cheminots streiken wieder. Das sind die Metro- und Zugführer. Das Wort «Cheminot» leitet sich von Cheminée ab. Sarko will das Rentenalter erhöhen. Und das wollen die Cheminée-Fahrer nicht. Folge: Stehende Metros. Schwere Beine. Warten. Warten. Warten. Kilometer aufm Skateboard. Kalte Ohren.

Aber manchmal doch: Volle Metro. Duft von Metall auf Metall beim Bremsen. In der Metro Gesicht an Gesicht. Männerschweiss gemischt mit Mottenduft wie in Grossmutters Kleiderschrank. Käse in der Einkaufstüte. Zurück an der Oberfläche wieder Herbstgeruch. Ein lieblicher Hauch des Duftes eines Frauenparfüms. Zigarettenrauch. Abfallwagen. Abgas.

Ich bin an der Uni angekommen. Auch hier Streik. Auch hier wegen fragwürdigen Reformen. Loi Pécresse: Gesetz zur Autonomie der Universitäten. Euphemismus für Privatisierung. Natürlich haben da die «nicht rentablen» Studiengänge der philosophischen Fakultät grosse Ängste. Folglich wird auf Blockade gemacht. Blockade heisst hier in Paris wirklich Blockade: Eingänge zu, debattieren, Lösungen suchen, protestieren, rebellieren. Das läuft jetzt schon seit rund drei Wochen so.

Alle zwei Tage wird im Amphitheater am Assemblé Générale (AG) abgestimmt, ob und wie weitergemacht werden soll. Die Studenten sind euphorisch, besonders, weil sie sich noch an den Erfolg des Widerstands gegen den CPE vor zwei Jahren erinnern können. Damals waren einige französische Universitäten vier Monate lang blockiert. An der AG hält Guillome eine Rede. Mit glänzenden Augen sagt er, es dürfe jetzt nicht aufgegeben werden. Nanterre und Sorbonne 1 wurden schon mit Knüppel und gaz lacrymogène geräumt. Es ist einfach, mal an eine Manif zu gehen, für ein paar Stunden in der Kälte zu stehen, sich zu zeigen und gesehen zu werden. Aber ist dir das Verhindern des Inkrafttretens eines Gesetzes Wert, ein Studiensemester aufs Spiel zu setzen? Wann weiss man, ob sich der Widerstand lohnt? Wann nicht? Diese Unsicherheit nimmt man auch in den Gesichtern meiner Mitstudenten wahr.

PS: Während ich den geknebelten Polizisten, der neben mir auf einem Hocker im Uni-Keller hockt, mit frisch gegrilltem Rattenfleisch füttere, höre ich Diams «Rien a foutre». Als Hommage an den französischen Rap.