Koffein ist auch ein währschaftes Aufputschmittel. Lukas Messmer

Bald kommen die Dopingjäger an die Uni

Im Sport sind Doper die Buhmänner. An der Uni fragt keiner nach. Medizinstudierende kommen gar ohne Rezept zu leichten Aufputsch-Drogen.

11. März 2008

Durchpauken ohne Ende: Vor Prüfungen mutieren ansonsten gesellige Studierende zu einsamen Lernrobotern. Je näher der Stichtag, desto schlimmer. Dann müssen auch die Nächte dran glauben. Ohne Hilfe gibt der Körper irgendwann nach – deshalb drücken die Nachteulen nicht selten den Startknopf ihrer Espresso-Maschine. Andere kennen wirksamere Mittelchen. Insbesondere unter Medizin-Studierenden ist Ritalin eine beliebte Alternative. Mit der amphetamin-ähnlichen Substanz kann die Konzentrationsfähigkeit erhöht werden. Es hilft ausserdem bei Müdigkeitserscheinungen. Eigentlich ist Ritalin ein Medikament, das hyperaktiven Kindern mit ADHS (Aufmerksamkeits-, Hyperaktivitätsstörung) verschrieben wird. Nur: Studierende haben die in Tablettenform erhältliche Substanz längst für sich entdeckt. Denn Ritalin putscht auch müde Erwachsene auf.

«Probier das doch einmal»

Medizinstudierende erhalten ab dem dritten Studienjahr laut Ursina Jenny vom Fachverein Medizin gegen Vorweisen einer Prüfungskopie in der Apotheke auch diverse rezeptpflichtige Medikamente. «Wie das genau geregelt ist, wurde uns allerdings nie gesagt», so Jenny. Ritalin gehört auf jeden Fall nicht zu den für Medizinstudierende erhältlichen Medikamenten. Um an Ritalin zu kommen, würden aber einige gute Kontakte genügen, erzählt eine andere Medizinstudentin. «Ein Arzt hat mir auch schon einmal gesagt: Probier das doch einmal», sagt sie. Ursina Jenny fügt an: «Oft sind die Eltern der Medizinstudierenden Ärzte. So kommen die zu ihren Medikamenten.» Und mit dem Internet stünde eine weitere anonyme Bezugsquelle zur Verfügung.

Während Ritalin eine ähnlich stimulierende Wirkung wie Kokain nachgesagt wird, verhält es sich mit so genannten Betablockern genau umgekehrt: Sie wirken beruhigend und senken die Herzfrequenz massgeblich. Das kann im Bezug aufs Studium sinnvoll sein, um Prüfungsnervosität oder Stresssymp-tome abzubauen. Im Gegensatz zu Ritalin sind Betablocker für Medizinstudierende in den Apotheken erhältlich. Betablocker stehen auf der Dopingliste bei Sportarten, in denen Konzentration und eine ruhige Hand wichtig sind: Curling, Billard oder Segeln. Bis vor nicht allzu langer Zeit fungierte auch Schach auf dieser Liste. Das stellte Jus-Student Michael vor ein Problem: Der Schachspieler musste aufgrund von Bluthochdruck Betablocker einnehmen. Wäre er also getestet worden, hätte ihm die Disqualifikation vom Turnier gedroht. Unterdessen hat der Schachverband FIDE bei der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) interveniert und Betablocker für den Schachsport wieder freigeben lassen – es konnte nicht nachweislich belegt werden, dass solche Medikamente einen positiven Einfluss auf die Leistung am Brett haben.

Dopingkontrollen nach Prüfungen?

Dennoch: Doping hat auch Sportarten erreicht, bei denen nicht die physische, sondern die intellektuelle Leistung im Vordergrund steht. Wann müssen nach Uni-Prüfungen Dopingkontrollen durchgeführt werden? An der Universität Zürich sei noch nie über einen Fall verhandelt worden, bei dem es um Leistungssteigerung durch Medikamente und Doping ging, wie Christian Schwarzenegger auf Anfrage sagt. Er muss es wissen: Schwarzenegger steht dem Disziplinarausschuss der Universität vor, in dem beispielsweise Plagiatsfälle behandelt werden. Ein entsprechender Verdacht dürfte schwer nachzuweisen sein, zumal die Universität keine Zwangsmassnahmen (etwa Blutentnahme) anordnen darf. Für den Fall, dass die Universität einst doch entsprechende Regelungen in Gang setzen würde, käme auch Universitätsanwalt Wolfgang Wohlers ins Spiel. Denkbar für den Strafrechtsprofessor ist einzig der Fall, dass Studierende sich explizit für eine Prüfung mit «Stoffen aufputschen, die den Betreffenden fokussierter machen.» Das bedürfte aber eines Disziplinarvorstosses seitens der Universität, gemäss dessen Studierende nur an Prüfungen antreten dürften, wenn sie in ganz und gar natürlicher Verfassung anwesend sind. «Das hiesse dann aber auch, dass Studierende keinen Baldrian einnehmen dürfen», so Wohlers. Er sieht das Problem ähnlich wie Schwarzenegger darin, dass niemand für diese Problematik eintreten wird und eine derartige Regel den Ausschuss schlicht überfordern würde.

Im Gegensatz zum Sport helfen Lernende mit Medikamenten oder Drogen aber vor allem in der Lernphase vor den Prüfungen nach. Sie erhoffen sich eher maximale Lernleistung, als dass sie Prüfungs-Doping betreiben. «Was Studierende dann mit sich anstellen, ist ihnen überlassen», sagt Wohlers.

Gedopt durch Koffein

Allerdings – um den Link zum Sport erneut zu machen – galt man bis vor kurzem in verschiedenen Sportarten bereits nach dem Genuss von sechs Tassen Kaffee als gedopt. Am härtesten traf es den Radprofi Oscar Sevilla im Jahr 2000: Der Spanier hatte den erlaubten Grenzwert von 12 mg Koffein pro Liter Urin überschritten. Dafür musste er im Vorfeld des Rennens etwa 400–600 mg Koffein zu sich nehmen, was den sechs Tassen Kaffee oder etwa einem Liter Red Bull entspricht. Entweder ist der Junge am Morgen einfach nur sehr schwer aus dem Bett zu kriegen oder er hatte tatsächlich die Absicht, seine Leistung mit der Einnahme von Koffein zu steigern. Vor drei Jahren nahm die WADA Koffein von der Dopingliste. Die Dopinglabors wurden aber angewiesen, die Koffeinspiegel der Sportler weiterhin zu messen – um die Entwicklung der Koffeineinnahme im Auge zu behalten. So sicher sind sich die Anti-Doping-Spezialisten offenbar nicht, wenn es um die leistungssteigernde Wirkung von Koffein geht. Was klar ist: Es müssen nicht immer Ritalin oder Betablocker sein – für gewisse Zwecke genügt auch die legale «Aufputschdroge» Koffein.