Crocs in lila, pink, hellblau, grasgrün. PD

Duell: Crocs

Welchem Professor gehört wohl dieses Monster von einem Geländewagen? Unsere Expertin schliesst vom Auto auf den Besitzer.

Nicole Dreyfus (Pro) und Christoph Dubler (Kontra)
10. März 2008

Dafür

Zugegeben, mein Blick war vielleicht ein wenig verwirrt, als ich diese Schuhe zum ersten Mal an den Füssen meiner Nachbarin sah. Farbige Gummischuhe, die sich Crocs nennen, dachte ich, wer getraut sich denn sowas überhaupt zu tragen? Aber spätestens, nachdem ich sie an meinen eigenen Füssen anprobiert habe, muss ich gestehen, was für eine geniale Invention das ist. Man spaziert damit Kilometer weit, ohne sich die Blasenpflastern um die Ohren zu schlagen. Das geht mit guten Wanderschuhen auch, sagt sich nun der eine oder andere dazu. Stimmt, aber kaum bei kontinentaleuropäischen Temperaturen, bei denen man froh wäre, sich nur noch in Luft aufzulösen. Crocs tragen nicht zuletzt ihren Teil dazu bei, dass sich die Füsse nahezu so bequem anfühlen, als würden sie in einem Himmelbett – wohl gemerkt aus Gummi – liegen. Kein Wunder, dass nun Herr und Frau Weltbürger von ganz Globus mitsamt Kind und Kegel diese Fussbedeckung tragen. Nicht zu vergessen, dass diese Schuhe und ihre Träger dadurch auch noch einen guten Job tun: Sie fördern die Globalisierung der ästhetischen Frage. Da soll noch einer zu behaupten wagen, dass das «mit-dem-Strom-Schwimmen» nur was für Charakterlose sei. Im Gegenteil, gerade im Zeitalter der Individualitätsförderung, die ja bereits im Kindergarten beginnt, können Meilensteine gesetzt werden: Die Farbpalette der Croc-Kollektion ist so unerschöpflich, dass auch der Phantasie kaum Grenzen gesetzt werden, sich die Fussnägel in der entsprechenden Farbnuance oder im kontrastierenden Ton anzustreichen. Man staune also nicht schlecht, dass diese Läufer in neun Modellen à je 17 Farben existieren. Da können Navyboot und Co. mit ihrem Sortiment gleich einpacken. «The bigger – the better» lautet auch hier das Motto des Herstellers, der schon mit Al Pacino, Jack Nicholson, ja sogar mit Google und Nickelodeon für seine krokodilschnauzigen Treter wirbt.

Und wo wir gerade bei weltbeherrschenden Erscheinungen der Moderne sind: Die Ära des Schuhpolierens geht mit den Crocs auch gleich ihrem Ende zu. Man hat eigentlich gar nichts mehr zu tun, ausser sie mit Wasser zu spülen. Fassen wir also zusammen: bequem, farbenfroh, von Orthopäden empfohlen und von Stars getragen – was wollen von einem paar Schuhe? Den Preis wissen: Keine 100 Franken! Auf was warte ich denn noch? Rasch zum nächsten Schuhladen und ein pinkes Exemplar mit hart verdientem Studigeld erstehen!

Dagegen

Als echter Gentleman, der ich nun einmal bin und als Träger von massgeschneiderten, von Hand rahmengenähten Kalbslederschuhen aus dem Hause John Lobb oder auch Fratelli Rosetti und stolzer Besitzer eines klassischen Schuhrepertoires bestehend aus einem Paar brauner Brogues, einem Paar schwarzer Oxford, einem Loafer, einem Paar Mokassins und einem Paar Bootschuhe, müsste ich dieses Duell eigentlich ablehnen.

Crocs gehören in eine Welt, in welcher nicht einmal die Träger des CROCS-Virus selbst leben wollen: eine kurzlebige, kurzsichtige, auf Spektakel abzielende, kultur- und gottlose Welt des vorgekauten Massengeschmacks.

Ästhetische Überlegungen können beim Kauf keine Rolle spielen. Darum wird auch insbesondere mit der Bequemlichkeit, der Hygiene und der farbtupfernen «my-life-is-pink»-Attitüde argumentiert. Aber das Tragen von Schuhen ist eine Frage des Stils, keine Frage des Geschmacks. Die englische Stilbibel «The Gentleman» meint dazu: «Schuhe sind immer dann gut, wenn sie aus bestem Leder sorgfältig und mit einem grossen Anteil von Handarbeit gefertigt wurden.» In diesem Sinne sind Crocs keine guten Schuhe.

Zeitlose Typologien werden sich auch im Bereich der Schuhmacherkunst durchsetzen. Ein Schuh sollte das physiognomische Abbild unserer Füsse sein. Natürlich kann er dabei variieren, beziehungsweise Schwerpunkte, Betonungen und Akzente setzen. Sei es um den nassen Strassen Londons den Spiegel vorzuhalten oder um fein, geschwungen und leichtfüssig die römische Italianità zu feiern. Stilexperimente – im Falle von Crocs eher Stilverbrechen – sind Randphänomene und lösen sich wie Feuerwerk in Luft auf. So wurden Crocs ursprünglich für die Schifffahrt entwickelt, um auf den nassen Planken nicht auszurutschen. Die Löcher sollten wahrscheinlich dazu beitragen, ein Gefühl von Barfüssigkeit zu vermitteln. Die Wanderschuhe der Meere könnte man sie darum nennen oder auch das, was herauskommt, wenn sich ein Blauwal auf eine Toilette setzen würde.

Für mich und alle Gentlemen da draussen gilt ohnehin die altehrwürdige Maxime John Lobb’s: No brown shoes after five.