Das Ernst-Gen

Das Ziel des Studiums sei Bildung, nicht Ausbildung. Sagt Wirtschaftsprofessor und Dekan Hans Peter Wehrli.

10. März 2008

Frauen sind grundsätzlich nicht in der Lage, den Ernst einer Situation zu erfassen. Nicht mal bei allerwichtigsten Dingen. Beispiele gibt es tausende, besonders aber eines: Poker. Man würde auch gerne Freundinnen und so einladen zum Pokerabend, aber das geht nicht, weil die kein Ernst-Gen haben. Deshalb ist Poker ein durch und durch männlicher Sport. Das mit den Frauen am Tisch macht jede Pokerrunde genau einmal. Wir auch. Wir haben einmal eine Frau eingeladen. Sabina, die Filmfrau. Sie war die Erste und auch Letzte. Der Ivo, der Stefan, der Claudio, der Philippe, der David und ich, wir kennen uns seit Jahren. Wir wohnen oder studieren oder arbeiten zusammen. Kreuz und quer sind bilateral unterschwellige Rivalitäten, alte, unbesprochene Geschichten und Rechnungen offen. Darum treffen wir uns zur Ersatzhandlung Poker. Dann hängt eine eigentlich unübersehbar dichte Testosteronwolke zwischen Filz und Lampe. Ivo schnauft wie ein Blöder, wenn er ein gutes Blatt hält, Stefan kriegt eine lächerlich starre Mine und Philippe gibt das Bild eines konzentriert in die Windeln drückenden Dreijährigen ab, wenn er einen Pot unbedingt gewinnen will. Das sind alles Anzeichen von purer Angst. Der Angst zu verlieren, der Angst zu versagen: Männlicher Urängste also. Schwierig wirds nach dem Showdown. Verlierer wie Gewinner müssen unbedingt cool bleiben. Ja kein Gefühl, ja keine Blösse zeigen. Das ist ganz wichtig. Man muss die nächste Hand gewinnen, das Gegenüber durchdringend anstarren, konzentriert auf ein wenig Genugtuung für all die alten Geschichten und offenen Rechnungen bangen, schnaufen, versteinern, den Puls unter Kontrolle halten. Sabina, die Filmfrau, hatte den Ernst der Situation natürlich nicht erfasst. Sie gewann jedesmal mit dem gleichen Kommentar: «Was, ich hab gewonnen? Das ist ja lustig.» Seither sind auch an unserem Pokertisch Frauen streng verboten.