Zukünftige Berufsoffiziere lernen an der Militärakademie das Kriegshandwerk. Lukas Messmer

Zu Besuch in der Offiziersfabrik

Volles Portemonnaie, ein sicherer Job und kaum Ferien: Die Berufsoffizier-Studenten an der ETH ticken anders.

22. Februar 2008

Ihre Haare sind kurz geschnitten, ihre Sprache ist knapp und korrekt. Ihre Lieblingsfilme sind «Gladiator und «Black Hawk Down». Die Gruppen, in denen sie sich im Studi-VZ eingetragen haben, heissen «GruppefüreineSchweizohneeineGruppefüreineSchweizohneArmee», «Anti-Friedensbewegung» oder auch «konservativ tut gut». Die Rede ist von den angehenden Berufsmilitärs an der ETH Zürich. 62 Männer absolvieren zurzeit den Bachelor-Studiengang Berufsoffizier, der im Departement Geistes-, Sozial- und Staatswissenschaft der ETH (D-GESS) angesiedelt ist. Das D-GESS führt den Studiengang in enger Zusammenarbeit mit der Militärakademie MILAK durch.

Im dreijährigen Studium, das die Anwärter mit einem Bachelor in Staatswissenschaften und einem Diplom als Berufsoffizier abschliessen, wird ein äusserst breites Fachwissen vermittelt: Die angehenden Armeekader pauken die Grundlagen in Volkswirtschaftslehre und Recht, besuchen Vorlesungen zu Politologie und Sozialpsychologie (Ziel: «die Grundlagen von Konformität und Gehorsam gegenüber Autorität zu kennen», ist im Studienbeschrieb zu lesen). Sie diskutieren in soziologischen und militärgeschichtlichen Seminaren und können sich wahlweise in Fächern wie Geomatik oder Technikgeschichte weiterbilden.

Hürdenlauf zum Studium

Wer das vielseitige Studium in Angriff nehmen will, muss allerdings einiges mehr aufweisen als eine Matura. Die MILAK verlangt einen einwandfreien Leumund und ein gutes militärisches Zeugnis. Die Studenten müssen mindestens den Grad eines Leutnants aufweisen und den praktischen Dienst, das sogenannte Abverdienen, absolviert haben. Auch ein bestehender Vertrag mit der Schweizer Armee ist Voraussetzung; die meisten dienen vorher deshalb einige Jahre als Zeitmilitär. Zu guter Letzt prüft die Armee die Kandidaten in einem mehrtätigen Assessment-Test mit Diskussionen, Vorträgen und Gruppengesprächen auf ihre Studiumstauglichkeit. Rund ein Viertel fällt durch diese Prüfung. Die Armee will keine Versager an die ETH schicken. «Durch die vielen Selektionshürden gibt es unter unseren Studierenden fast keine Verluste durch Studienausfall», meint Bernhard Stadlin, Oberst im Generalstab und Verbindungsoffizier der Militärakademie zur ETH.

Dass sich die Berufsoffizier-Studenten nicht nur in diesem Punkt von ihren Kommilitonen an Uni und ETH unterscheiden, bestreiten lediglich sie selbst, und auch das eher halbherzig. «Wir sind vielleicht etwas bürgerlicher», meint Olaf Niederberger, MILAK-Student mit zackiger Offiziersstimme. Geprägt durch den langen Militärdienst leben die Berufsoffizier-Anwärter Werte, welche bei den Geniessern des Studentenlebens am unteren Ende der Popularitätsskala rangieren. «Sie sind diszipliniert und zielbewusst», weiss Rudolf Jaun, Professor für Militärgeschichte an der ETH. Das hänge damit zusammen, dass sie in erster Linie auf ihren Beruf hinarbeiteten, und nicht wegen dem Studium an sich die Hochschule besuchten.«Sie sind sicher auch einen Tick autoritätsbewusster eingestellt als andere Studierende», merkt Jaun an. Das scheinen sie in der Tat zu sein. Da nur wenige das Fach studieren, sind die Berufsoffizier-Studenten eines Jahrgangs in einer Klasse organisiert. Zu Beginn einer Stunde meldet der Klassenchef dem Dozenten den Klassenbestand. «Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit», meint Olaf Niederberger. Das Kollektiv bedeutet viel, der Zusammenhalt ist gross. «Wir haben gegenüber unseren Kameraden eine Verantwortung», so Berufsoffizier-Anwärter Reto Niedermann. «Verschlafen liegt nicht drin.» Grosses Sackgeld, wenig FerienVerpflichtet fühlen sich die Studenten nicht nur einander, sondern auch der Armee. Die Bindung mit der Institution ist nämlich nicht nur mentaler, sondern auch juristischer Art. Die angehenden Berufsoffiziere sind vertraglich angestellte Studenten des Bundes. Damit verpflichten sie sich, ihrem Studium gewissenhaft nachzukommen. Ferien gibt’s nur vier Wochen im Jahr. «Den grössten Teil der vorlesungsfreien Zeit verbringen wir in militärischen Kursen», sagt Olaf Niederberger. Das klassische Studentenleben bleibt den ETH-Kadetten somit verwehrt. Dafür kommen sie in den Genuss von Leistungen, von denen ihre Kommilitonen nur träumen können. Der Bund entlöhnt seine Militär-Studenten in der Lohnklasse 15. Je nach Alter verdienen sie so mehr oder weniger 4000 Franken im Monat. Damit die künftigen Berufsoffiziere auch mobil sind, kriegen sie obendrein gratis ein Generalabonnement. Auch einen Laptop stellt die Armee für die Studiendauer zur Verfügung – und eine langfristige, sichere Berufsperspektive.Das Leben danachDen Laptop will das Militär nach dem Abschluss nämlich ebenso zurück wie ihre Investition. Vier Jahre müssen die eidgenössisch diplomierten Berufsoffiziere nach dem Abschluss im Militär dienen, um ihr Studium abzuverdienen. Wer vorher geht, zahlt entsprechend. Für den Grossteil der Absolventen kommt ein Jobwechsel aber erst später in Frage. «Als Berufsoffizier erhalte ich die Chance, in einem äusserst abwechslungsreichen Berufsumfeld Erfahrungen in der Menschenführung zu sammeln», sagt Reto Niedermann. «Im Grunde ist Berufsoffizier eine Berufung, kein Job», meint Bernhard Stadlin von der MILAK. Früher habe ein Grossteil der Berufsmilitärs ihr Arbeitsleben bis zur Pensionierung in der Armee verbracht. Mit der zunehmenden Flexibilisierung im Arbeitsmarkt werde sich das aber künftig wohl ändern. Gerade jetzt aber wäre die Armee mehr denn je auf die Treue ihrer professionellen Führungskräfte angewiesen, denn die Berufsoffizier-Absolventen können den Bedarf der Streitkräfte zurzeit nicht decken. «Es müssten momentan ungefähr 20 Berufsoffiziere mehr pro Jahr ausgebildet werden», weiss Bernhard Stadlin. Deshalb seien Bestrebungen im Gange, die Attraktivität des Berufs zu erhöhen. Die Arbeitsbedingungen seien nicht nur angenehm, die unregelmässigen Arbeitszeiten verlangten auch persönliche Opfer. «Man lebt nur einmal, da muss die Lebenssituation irgendwie auch stimmen», sinniert der Generalstabsoberst mit sanfter Stimme.

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