«Es gibt im Militär überall Probleme zu bewältigen, auch in Bezug auf Männer.» Michael Orlik

Sie boxte sich durchs Militär

Oberleutnantin Deborah Sigrist war von der Rekrutenschule enttäuscht. Weil sie nicht streng genug war. Eine zivile Begegnung.

22. Februar 2008

Deborah, viele Männer klagen, wenn sie ins Militär müssen. Da nehme ich mich selber nicht aus. Du musst als Frau nicht, gehst aber trotzdem. Warum? — Ich glaube, wenn man entscheiden kann, ist es immer etwas anderes. Ich bin damals mit meinem Bruder von Ungarn zurück in die Schweiz gekommen und wollte nicht sofort anfangen zu studieren. Ich hatte die Vorstellung, das Militär sei körperlich sehr anstrengend. Und ich wollte etwas Neues machen. So habe ich mich spontan fürs Militär entschieden. Es war dann aber recht enttäuschend. Nach fünf Kilometern marschieren klagten schon alle: «Ah nein, es tut weh.» Ich habe etwas ganz anderes erwartet als dieses ewige Klönen. Darum habe ich mich auch entschieden, weiter zu machen, denn Soldatin wollte ich nicht bleiben.

Warum bist du nach der RS nicht ausgestiegen? — Das geht nicht. An der Aushebung erhältst du ein Formular. Wenn du das unterschreibst, dann akzeptierst du auch die Bedingung, dass du in jedem Fall bleiben musst.

Du warst in der Offiziersschule die einzige Frau der Kompanie und während der Woche abgeschottet in der Kaserne. Für dich kein Problem? — Also gewisse Männer schauen schon blöd. Sie denken, «die hat doch eine Macke». Man muss sich denen beweisen als Frau. Du kommst in eine Gruppe und jeder hat von Anfang an dir gegenüber eine negative Einstellung. In der RS tritt auch das Problem auf, dass viele Frauen ihr Gepäck und ihr Gewehr abgeben und die Männer dann die grössere Last tragen, als wenn die Frau nicht dabei wäre. Aber wie gesagt, anfangs sind die Männer sehr distanziert. Diese 15 Wochen schweissen dann aber dennoch sehr zusammen.

Gibt es auch Avancen, seitens der Männer? — Also in der Offiziersschule nicht. Das ist dann eher wie eine Beziehung zwischen Bruder und Schwester. Dort habe ich nie das Gefühl gehabt, dass jemand etwas in die Richtung versucht.

Aber in der RS schon? Oder im WK? — Im WK ist das etwas anderes. Dort sind

die Männer älter und haben eine gewisse Lebenserfahrung. Manchmal fällt da schon ein blöder Spruch. Ich habe Zeiten erlebt, da versuchen sies und denken sich, die Frau, die zieht ihre Linie nicht durch. Anfangs hatte ich diesbezüglich schon Lampenfieber. Aber es gibt im Militär überall Probleme zu bewältigen, auch in Bezug auf Männer. Einer hat das einmal gemacht im WK, gefragt, wo ich wohne und wohin ich ausgehe.

Ist das lästig? — Nein, das nicht, aber man muss sich etwas abgrenzen. Das Problem ist, wenn man sich zu fest abgrenzt und gar nichts von sich preis gibt, wird man als arrogant bezeichnet.

Hast du nun eine positive Einstellung gegenüber dem Militär? — Ja, ich persönlich schon. Klar gibt es immer Sachen, denen du nicht zustimmen kannst, aber als Kader eigentlich solltest. Ich befürworte lange nicht alles, wofür das Militär einsteht.

Aber im Grundsatz findest du das Militär, so wie es ist, richtig? — Das ist schwierig zu sagen. Wir haben einfach ein zu kleines Budget. In unserem Zug haben wir zu wenig Material und keine Fahrzeuge. Von fünf Panzern sind drei defekt, bei einem fehlt ein Netz. Ich kann nicht befehlen, die blöden Antennen aufzustellen, einfach weil es so ist.

Das sehe ich etwas anders. Ist das nicht gerade das Motto des Militärs? Man macht es, weil es so ist? — Ja, aber in einem solchen Fall kann ich auch nicht dahinter stehen. Anfangs des WKs macht so etwas Sinn, wenn alles aufgefrischt werden muss, aber nicht in einer Übung. Es ist schon ein bisschen schade; die Schweiz steht einfach nicht mehr hinter dem Militär. Ob es im Ernstfall funktioniert, kann ich nicht sagen. Wenn es funktionieren soll, müssen die Schweizer mehr dahinter stehen.

Militär ist ja etwas sehr männliches, wohingegen eine andere Beschäftigung von dir, das Modeln, sehr feminin ist. Würdest du dich als jemanden bezeichnen, der gerne das Heft in die Hand nimmt? — Nein, das glaube ich nicht. Gut, ich bin von Sternzeichen Löwe. Ich arbeitete auch als Hostess, oder an Events. Dort kommt es manchmal vor, dass ich die Zügel in die Hand nehme, wenn ich merke, dass es niemand besser kann als ich. Aber vor dem Militär war ich extrem scheu.

Scheu? Also man braucht ja schon ein gewisses Mass an Selbstvertrauen, um als Frau freiwillig ins Militär zu gehen. — Ja, gut. Ich schmeisse mich oft selbst ins kalte Wasser. Mache Sachen, die ich mir gar nicht zutraue. Wenns funktioniert, dann funktionierts. Und meistens kommt es gut. Aber ich bin nicht jemand, der immer im Mittelpunkt stehen muss.

Gibt es etwas, bei dem du denkst, das verstehen Männer immer falsch, wenn sie von deiner Militärkarriere hören? — Ich habe es oft erlebt, dass Männer richtig wütend werden. Sie verstehen es eben nicht und reden dann noch schlechter übers Militär, als sie es sowieso schon würden. Einige machen die RS schlecht und führen sich blöd auf. Dafür werden sie dann natürlich bestraft. Zu mir sagen sie dann, mach du das, du bist ja freiwillig da. Manche Männer denken einfach, Frauen gehören nicht ins Militär.

Deborah Sigrist (23) studiert Psychologie an der Universität Zürich. Früher lebte sie mit ihrer Familie in Ungarn, wo sie professionell Tennis spielte. Sie stand zu dieser Zeit schon für einen Brautmode-Katalog vor der Kamera. Zurück in der Schweiz, gewann sie 2006 einen Modelwettbewerb.