Unterschiedliche Ansichten: Gaby Blatter und Stefan Fischer. Lukas Messmer

Zu viele deutsche Professoren?

StuRa-Präsident Stefan Fischer löste kürzlich eine Mediendebatte aus. Ein Streitgespräch zwischen ihm und der VSETH-Präsidentin Gaby Blatter.

20. Februar 2008

Studierendenrates der Uni Zürich, Stefan Fischer, dem Tages-Anzeiger ein Interview zum Thema deutsche Professoren. Fischer meinte, dass man «langsam die Grenze des Erträglichen» erreiche. In den nächsten Wochen wurde das Thema zum Politikum. In diesem Streitgespräch nimmt Stefan Fischer erstmals wieder öffentlich Stellung. Kontrahentin ist Gaby Blatter, Präsidentin des Vereins der Studierenden an der ETH Zürich. Beide vertreten hier ausdrücklich nur ihre persönliche Meinung.

Stefan, im Dezember hast du dem Tages-Anzeiger ein Interview gegeben und vor einer Germanisierung der Uni gewarnt. Am nächsten Tag bezeichnete dich die NZZ als kleinkariert. Was hast du für weitere Reaktionen erhalten?

Fischer: Noch am Tag, als das Interview erschien, erhielt ich einen Anruf eines prominenten Mitglieds des StuRa nach dem Motto, «das kannst du nicht sagen, sicher nicht im Namen des StuRa». Dabei habe ich nichts im Namen des StuRa gesagt, sondern nur eine persönliche Einschätzung abgegeben. Ein ehemaliges Ratsmitglied gab mir den Kommentar der NZZ mit der Bemerkung «peinliches Interview». Weiter fragte mich eine anonyme Person auf meiner Studi-VZ-Pinnwand, ob ich das Parteibuch der SD schon angeboten bekommen habe. Es gab auch andere Reaktionen: Ich bekam von Unimitarbeitern in tieferen Chargen und von Leuten, die im Hochschulumfeld arbeiten, Feedbacks à la «endlich sagt es mal jemand!» Von höheren Unistellen erfuhr ich teilweise Zustimmung, meine Wortwahl sei aber unglücklich gewesen. Ich hätte das Ansehen der Uni Zürich beschädigt. Mir wurde gar gesagt, für die Deutschen sei die Uni Zürich jetzt gestorben. Zu Beginn gab es keinerlei inhaltliche Kritik. Mir wurde so bestätigt, dass es tatsächlich Probleme gibt.

Blatter: Trotzdem. Wo ist das Problem? Es ist doch schlicht egal, welchen Pass ein Professor besitzt.

Fischer: Natürlich, im Einzelfall. Aber wenn eine Nationalität sehr stark vertreten ist, erreicht man irgendwann einen kritischen Punkt. Wir sind soweit, dass in einzelnen Fächern die Verhältnisse nach dem Motto «Wir Schweizer Studis und die deutschen Profs» wahrgenommen werden.

Blatter: Ich gebe dir in Bezug auf die Sprache teilweise Recht. Die Deutschen sprechen eine andere Sprache als wir Schweizer, die sie

vielleicht arrogant erscheinen lässt, obwohl sie es nicht so meinen.

— Fischer: Dazu kommt die Abschottung an der Uni. Wenn man in ein fremdes Land geht, merkt man schnell, dass es kulturelle Unterschiede gibt, da man von Einheimischen umgeben ist. Ist dies nicht der Fall, weil der Arbeitsplatz eine Enklave der eigenen Nation ist und man sich fast nur im gehobenen Umfeld bewegt, findet keine ausreichende Integration mehr statt. Deshalb haben wir auch einzelne langjährige Professoren, die kein Schweizerdeutsch verstehen. Wird das zur Regel, ist die Grenze des Erträglichen erreicht.

Unter den Deutschen bestehen starke Netzwerke. Schreckt das den Schweizer Forschungsnachwuchs ab?

— Fischer: Ich frage jetzt mal ganz polemisch: Möchte ein Schweizer an einem Institut, in dem nur noch hochdeutsch geredet wird, doktorieren? Ich nicht. Wenn ich ins Ausland gehe, passe ich mich selbstverständlich sprachlich an. Aber doch nicht in der Heimat.

Blatter: Belastet dich das wirklich? Mir wäre das egal, solange die Leute in Ordnung sind. Wenn du den Mumm nicht hast, in eine Gruppe mit Deutschen zu gehen, hast du doch einen Komplex.

— Fischer: Wenn ich meinen Dialekt reden kann, kein Problem. Die Vorstellung hingegen, während der ganzen Doktoratszeit dann hochdeutsch zu sprechen, ist für mich abschreckend. Hochdeutsch zu sprechen ist anstrengend, wie jede Fremdsprache. Ich bin der Ansicht, dass ein sehr hoher Anteil einer einzigen Nationalität – ich rede von vielleicht 80 Prozent – an einem Institut hemmend sind für weiteres Engagement.

Blatter: Wenn man das nicht auf die Reihe kriegt, finde ich das ziemlich tragisch. Bei uns wird in einigen Gruppen fast nur Englisch gesprochen. Das macht es sogar noch wesentlich schwieriger für einen Schweizer als in einer «deutschen» Forschungsgruppe. Es ist doch das Projekt, das zählt, und nicht die Sprache.

— Fischer: Das ist eine andere Sache. Wenn du in so einer Gruppe bist, hast du vielleicht einen Inder, einen Franzosen und einen Deutschen. Dann sprechen alle eine Fremdsprache. Wenn man als einziger Schweizer in einer Gruppe mit vier Deutschen ist, sieht das anders aus.

Gaby, du schaust nicht gerade verständnisvoll.

— Blatter: Diesbezüglich herrscht an der ETH einfach eine andere Mentalität. Wir betreiben seit mehreren Jahren aktiv eine Internationalisierung. Aus allen Teilen der Welt werden Top-Forscher rekrutiert.

Fischer: Da haben wir gerade das Stichwort. An der Uni haben wir keine Internationalisierung. Entscheidend ist dafür ja auch das Verhältnis der deutschen Profs zu anderen ausländischen Professoren, und da sieht es an der Uni anders aus als an der ETH. An der ETH sind die Professoren zu 40% aus dem gesamten Ausland, an der Uni sind sie zu 30% aus Deutschland.

— Blatter: Vielleicht muss sich die Uni auch mal überlegen, ob sie attraktiv genug ist für internationale Spitzenkräfte. Ein Problem ist beispielsweise, dass die Unterrichtssprache Deutsch ist. Viele Spitzenforscher sprechen aber kein Deutsch. Bei uns an der ETH ist es hingegen normal, dass spätestens im Masterstudiengang alle Vorlesungen auf Englisch gehalten werden, weil auch viele Studenten aus dem Ausland kommen.

Fischer: Da gebe ich dir vollkommen Recht. Vielleicht ist die Situation in Deutschland einfach so viel schlechter, dass so viele zu uns kommen wollen. Dabei muss sich die Uni, will sie wirklich die Besten, der ganzen Welt öffnen. Germanisierung ist quasi die Gegenthese zur Internationalisierung.