Editorial #2/86

Editorial

2. November 2007

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Kiffen ist in unserer Redaktion ab sofort Pflicht. Wir passen die Gesetze der Realität an, hören auf die weise Stimme der Wissenschaft. Denn: «In einem Experiment am Londoner Kings College wurde das Reaktionsvermögen von 1000 Personen getestet. Sie sollten Aufgaben lösen und empfingen parallel dazu Emails oder rauchten einen Joint.» – und jetzt kommts: «Im Ergebnis waren die Kiffer deutlich besser als die Email-Multi-Tasker.» Diese Erkenntnis lieferte die «NZZ am Sonntag».

Ob sich die Autorin Miriam Meckel, Professorin an der Universität St. Gallen, der Folgen ihrer Feststellung bewusst ist? Ueli Maurer muss sofort seinen privaten Garten vergrössern, damit sein Nachwuchs das Volk mit dem konzentrationsfördernden Stoff versorgen kann. An Uni und ETH werden die Kioske Hauptabnehmer der SVP-Duftsäckli. Sie vertschutten sie an Akademiker mit Konzentrationsschwäche. Christoph Mörgeli widmet dem Intelligenz-Doping eine Sonderausstellung im Medizinhistorischen Museum. Die Uni-Leitung untersucht das Kraut auf Qualität. Nur Blüten mit über sieben Prozent THC-Gehalt gelangen in den Verkauf. So wird abgesichert, dass sich die Uni in den internationalen Rankings auf die Ebene des liebevoll ignorierten Nachbars ETH hievt. Um die Sicherung der garantiert steigenden Nachfrage ist der Hardcore-Liberale Gerold Bührer besorgt. Sein Plan: Weil die Tessiner keine Umfahrung durch die Magadino- Ebene wollen, fordert er dort grossflä- chigen Hanf-Anbau. Dies beschert der letzten wahren Demokratie der Welt einen Wirtschaftsaufschwung, der die ganze Welt erzittern lässt.

Nun gut, Frau Meckel wollte uns vor allem sagen, dass wir wegen des Gefühls, ständig erreichbar sein zu müssen, unter Konzentrationsverlust leiden – und zwar unter einem grösseren, als er durch kiffen herbeigeführt wird. Aber das war nun wirklich nichts Neues, oder?

Wir wünschen euch einen netzfreien Ort, um diese Ausgabe konzentriert lesen zu können. Servus!

Florian Frey, Redaktionsleitung